Leitsatz (amtlich)

  • Das neue Versorgungsausgleichsrecht schließt eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors ausdrücklich aus. § 109 Abs. 6 SGB VI bestimmt, dass die von der gesetzlichen Rentenversicherung mitzuteilenden Entgeltpunkte aus einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze zu berechnen sind.
  • Der Halbteilungsgrundsatz wird durch die Außerachtlassung des Zugangsfaktors nicht verletzt. Seit der Reform des Versorgungsausgleichsrechts besteht das zu teilende Stammrecht nicht mehr in einem Rentenbetrag, sondern in Entgeltpunkten; dieses Stammrecht wird bei Außerachtlassung des Zugangsfaktors dem Halbteilungsgrundsatz entsprechend geteilt.
  • Wird dem Ausgleichspflichtigen infolge vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente wegen der individuell längeren Rentenbezugsdauer und des daraus resultierenden niedrigeren Zugangsfaktors eine geringere Rente gewährt oder aber infolge späterer Inanspruchnahme der Altersrente wegen der individuell kürzeren Rentenbezugsdauer und des daraus resultierenden höheren Zugangsfaktors eine höhere Rente, so handelt es sich um personenbezogene, nicht aber um anrechtsbezogene Umstände, die im Versorgungsausgleich zu beachten wären (a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2014 - 5 UF 61/13, juris Rz. 24 ff.).
 

Normenkette

VersAusglG §§ 27, 39, 41 Abs. 1; SGB VI §§ 77, 109 Abs. 6

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Beschluss vom 30.09.2013; Aktenzeichen 57 F 1039/11 S)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.09.2015; Aktenzeichen XII ZB 211/15)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.022,64 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit es um die Frage geht, ob dem Ausgleich der Anwartschaften des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen die vom Antragsgegner in der Ehezeit erwirtschafteten Entgeltpunkte und nicht lediglich seine infolge des vorzeitigen Rentenbezugs wegen des verminderten Zugangsfaktors gekürzten, sog. persönlichen Entgeltpunkte zugrunde zu legen sind.

 

Gründe

I. Die 1950 geborene Antragstellerin und der 1945 geborene Antragsgegner haben 1968 miteinander die Ehe geschlossen, aus der ein mittlerweile volljähriger Sohn hervorgegangen ist. Die Eheleute leben seit 2005 voneinander getrennt. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner im August 2011 zugestellt.

Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht i.H.v. 6,3272 Entgeltpunkten und zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht i.H.v. 27,8607 Entgeltpunkten übertragen. Zusätzlich hat es zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Voith Industrial Services GmbH ein Anrecht mit einem Kapitalwert von 9.379 EUR übertragen. Für den vom Antragsgegner angeregten Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 27 VersAusglG hat es keinen Anlass gesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die vom AG eingeholten Auskünfte der Versorgungsträger verwiesen.

Der Antragsgegner begehrt im Beschwerdeverfahren weiterhin den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 27 VersAusglG. Die lange Trennungszeit gebiete ein Absehen von der Durchführung des Versorgungsausgleichs. Zudem sei ein Ausgleich grob unbillig, da er für erhebliche geschäftliche Verbindlichkeiten seiner Ehefrau eingestanden sei. Schließlich sei es unbillig, dass das AG dem Versorgungsausgleich seine tatsächlichen Entgeltpunkte bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen zugrunde gelegt habe. Da er vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch genommen habe und dementsprechend sein Zugangsfaktor gekürzt worden sei, hätten dem Ausgleich lediglich seine persönlichen, unter Berücksichtigung des gekürzten Zugangsfaktors ermittelten Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden dürfen. Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre in erster und zweiter Instanz eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, insbesondere gem. §§ 59 ff. FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für einen vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 27 VersAusglG sind nicht erfüllt.

Der Versorgungsausgleich dient der Abwicklung eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts, nämlich der in der Ehezeit von den Eheleuten erworbenen Rentenanwartschaften. Er folgt gem. § 1 VersAusglG dem formalen Prinzip der Halbteilung und entspricht damit dem aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG folgenden Grundsatz, dass Eheleute Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben, das ihnen grundsätzlich z...

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