Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsvollstreckung gegen Organ einer juristischen Person

 

Leitsatz (amtlich)

Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ zur Unterlassung verurteilt, kann bei einer Zuwiderhandlung, welche das Organ im Rahmen seiner Tätigkeit für die juristische Person begangen hat, ein Ordnungsgeld gegen das Organ festgesetzt werden, wenn der Unterlassungstitel gegen das Organ rechtskräftig ist, während der Unterlassungstitel gegen die juristische Person nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt worden und die Sicherheit nicht geleistet ist (Abgrenzung zu BGH GRUR 2012, 541 - Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren).

 

Normenkette

ZPO § 890 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 12.06.2012; Aktenzeichen 2-6 O 150/09)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Gegen den Beklagten zu 2) wird wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Urteil des LG Frankfurt/M. vom 15.12.2010 ein Ordnungsgeld von 20.000 EUR und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit ein Tag Ordnungshaft für je 2.000 EUR Ordnungsgeld festgesetzt.

Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 20.000 EUR

 

Gründe

I. Der Beklagte zu 2) ist gemeinsam mit der Beklagten zu 1), deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte zu 2) ist, durch Urteil des LG vom 15.12.2010 zur Unterlassung mehrerer Handlungen verurteilt worden; das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Die Beklagte zu 1) hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, über die der Senat inzwischen durch Urteil vom 31.5.2012 entschieden hat. Eine Vollstreckungssicherheit hatte die Klägerin nicht geleistet. Der Beklagte zu 2) hat das seinem Prozessbevollmächtigten am 22.12.2010 zugestellte Urteil nicht angefochten.

Die Klägerin verlangt die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO gegen den Beklagten zu 2) wegen Zuwiderhandlungen, die dieser nach der ihm gegenüber eingetretenen Rechtskraft des Urteils vom 15.10.2010 und während des Berufungsverfahrens der Beklagten zu 1) in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Beklagten zu 1) begangen haben soll. Das LG hat den Vollstreckungsantrag unter Hinweis auf die Entscheidung "Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren" des Bundesgerichthofs (GRUR 2012, 541) mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Beklagten zu 2) als Organ der Beklagten zu 1) ausscheide, nachdem die Beklagte zu 1) ebenfalls zur Unterlassung verurteilt worden sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde.

II. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Vollstreckungsantrag nach § 890 ZPO ist zulässig und begründet.

1. Dem gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Ordnungsmittelantrag steht nicht entgegen, dass mit dem zugrunde liegenden Urteil die Beklagte zu 1) ebenfalls zur Unterlassung verurteilt worden ist und dem Beklagten zu 2) ausschließlich Zuwiderhandlungen vorgeworfen werden, die er in seiner Funktion als Organ der Beklagten zu 1) begangen hat.

Zwar hat der BGH entschieden, dass, wenn sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet sind und das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwiderhandelt, nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen ist (GRUR 2012, 521 - Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren, Tz. 6). Dieser Grundsatz ist jedoch auf die vorliegende Sachverhaltsgestaltung nicht anwendbar, weil zum Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlung die Voraussetzungen für eine Vollstreckung aus dem Unterlassungstitel nur gegenüber dem Beklagten zu 2), nicht aber gegenüber der Beklagten zu 1) erfüllt waren.

Die vom BGH vorgenommene Beschränkung der Vollstreckungsmöglichkeiten nach § 890 ZPO gegenüber dem Organ einer juristischen Person beruht auf der Erwägung, dass kein Anlass bestehe, aufgrund einer der juristischen Person zurechenbaren schuldhaften Zuwiderhandlung ihres Organs daneben zusätzlich Ordnungsmittel gegen das Organ festzusetzen oder dessen gesamtschuldnerische Haftung zu begründen (a.a.O. Tz. 7); mit dem Sinn und Zweck der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO sei es schwerlich vereinbar, dass aufgrund der von einer natürlichen Person begangenen Zuwiderhandlung ein und dasselbe Ordnungsmittel gegen mehrere Personen festgesetzt werde (a.a.O., Tz. 8).

Eine solche Doppelahndung ist jedoch im vorliegenden Fall ausgeschlossen, da eine Vollstreckung wegen der von der Klägerin geltend gemachten Zuwiderhandlungen gegen das im Hinblick auf den Beklagten zu 2) rechtskräftige Urteil von vornherein nur gegenüber diesem möglich ist, während eine Festsetzung von Ordnungsmitteln wegen derselben Zuwiderhandlung gegenüber der Beklagten zu 1) ausgeschlossen ist, nachdem diese Berufung gegen das Urteil eingelegt hatte und di...

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