Leitsatz (amtlich)

§ 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO bezieht sich nicht auf die Postulationsfähigkeit, sondern auf die Zulassung bei dem Prozessgericht gem. der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO).

 

Normenkette

BRAGO § 126 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 35 F 10281/01–64)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren wird zur Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das AG zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 128 Abs. 5 BRAGO).

 

Gründe

Das AG hat dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm den in Hamburg ansässigen Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet. Dessen Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten und Tage- und Abwesenheitsgeld hat es abgewiesen. Aufgrund der hiergegen gerichteten Beschwerde bedarf die Entscheidung der Korrektur.

Der Verfahrensbevollmächtigte wurde ohne Einschränkung beigeordnet, wobei darauf hingewiesen wird, dass § 121 ZPO damals bereits in geänderten Fassung in Kraft war. § 121 Abs. 2 S. 2 ZPO war Abs. 3 dieser Bestimmung geworden.

Nach § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO sind einem Rechtsanwalt die Mehrkosten nicht zu vergüten, die dadurch entstehen, dass er seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht befindet. Dies gilt allerdings nicht, wenn ein Rechtsanwalt beigeordnet wird, der weder bei dem Prozessgericht noch bei einem Gericht zugelassen ist, das sich an demselben Ort wie das Prozessgericht befindet (2. Hs.). Der Senat ist der Auffassung, dass sich diese Vorschrift nicht auf die Postulationsfähigkeit, sondern die Zulassung bei dem Prozessgericht gem. der Bundesrechtsanwaltsordnung bezieht (vgl. dazu OLG Rostock v. 23.11.2000 – 10 UF 98/00, FamRZ 2001, 510; OLG München v. 25.9.2000 – 11 WF 1174/00, OLGReport München 2001, 72 = FamRZ 2001, 511; OLG München v. 12.12.2001 – 11W 2877/01, MDR 2002, 543).

Danach kann die Erstattung von Reisekosten nicht mit der amtsgerichtlichen Begründung versagt werden. Maßgeblich ist vielmehr § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO, wonach Auslagen, insbesondere Reisekosten nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten in dem Termin ist als erforderlich anzusehen und demnach grundsätzlich auch die Reise des beigeordneten Anwalts (OLG München v. 12.12.2001 – 11 W 2877/01, MDR 2002, 543), wobei hinzukommt, dass diese nach dem Akteninhalt dem Gericht angekündigt war und jedenfalls letztlich keinen Widerspruch erfahren hat. Auch war von der Bedeutung der Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten im Termin die Rede. Soweit das AG darlegt, die Reisekosten seien zu beschränken gewesen, die Art des genutzten Verkehrsmittels sei nicht angekündigt gewesen, es hätte auf eine Terminsverlegung gedrängt werden müssen, führt dies nach Ansicht des Senats nicht dazu, dass die Flugkosten nicht zu erstatten sind. Termin war auf 9.15 Uhr anberaumt. Um diesen wahrzunehmen hätte der Prozessbevollmächtigte am Vorabend oder in der Nacht mit der Bahn oder dem PKW anreisen müssen, wobei neben den auch dann nicht unerheblichen Kosten sich die Frage nach einer Übernachtung gestellt hätte. Dass der Termin um 9.15 Uhr festgesetzt war, war auch dem AG bekannt, ebenso wie die beabsichtigte Anreise des Prozessbevollmächtigten. Das AG hat offensichtlich auch eine Terminsverlegung nicht in Erwägung gezogen. Deswegen erscheinen die Flugkosten als zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen notwendig.

Das AG wird nun über die weiter geltend gemachten Kosten zu befinden haben.

Dr. Hartleib Held Grün

 

Fundstellen

Haufe-Index 1105179

MDR 2003, 177

OLGR Frankfurt 2002, 340

www.judicialis.de 2002

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