Leitsatz (amtlich)

1. Werden in der Wohnungseigentümerversammlung während noch laufender Anfechtung von Erstbeschlüssen über die Genehmigung von Jahresabrechnungen inhaltsgleiche Zweitbeschlüsse gefasst, kann aus der Bereitschaft der Versammlung, über die schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen, nicht der Wille entnommen werden, die Erstbeschlüsse in jedem Fall aufzuheben, auch wenn die Anfechtung der Zweitbeschlüsse erfolgreich wäre.

2. Bei einem Widerspruch zwischen der nach der Teilungserklärung bzw. dem darin in Bezug genommenen Aufteilungsplan und der nach der Gemeinschaftsordnung zulässigen Nutzung kommt den Nutzungsangaben im Aufteilungsplan grundsätzlich kein Vorrang zu, sondern die Regelung in der Gemeinschaftsordnung geht vor. Der unbefangene Betrachter darf sich nicht darauf verlassen, dass von den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten nur die am engsten begrenzte zulässig sei, er muss vielmehr davon ausgehen, dass die kraft Gesetzes umfassende Nutzungsmöglichkeit eines Teileigentums nur bei einer eindeutig ausgewiesenen Einschränkung entfällt.

3. Wird in einer Teilungserklärung nur für Lage und Ausmaß des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums auf den der Urkunde als Anlage beigefügten Aufteilungsplan und die zeichnerischen Pläne Bezug genommen, nicht dagegen ausdrücklich auf die im Aufteilungsplan genannten Nutzungen, hat eine Aufschrift in den zeichnerischen Plänen (Supermarkt) nicht die Bedeutung einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter.

4. Bestimmt eine Gemeinschaftsordnung, dass die gewerbliche Nutzung einer Teileigentumseinheit stets ohne Verwalterzustimmung erlaubt ist, was auch für rechtmäßige Nutzungsänderungen gilt, ist die Nutzung als muslimisches Gemeindezentrum als derartige rechtmäßige Nutzungsänderung zu werten, weil bei typisierender Betrachtungsweise keine größeren Beeinträchtigungen davon ausgehen als bei ohne Einschränkung zulässiger gewerblicher Nutzung des Teileigentums. Mangels eines Verstoßes gegen die nach der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Zweckbestimmung steht den übrigen Wohnungseigentümern deshalb kein Unterlassungsanspruch gegen den Teileigentümer zu.

 

Normenkette

WoEigG §§ 10, 14 Nr. 1, § 15 Abs. 1, 3, §§ 23, 28 Abs. 3; BGB §§ 133, 157, 1004 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Beschluss vom 20.12.2007; Aktenzeichen 4 T 300/07)

AG Wiesbaden (Beschluss vom 21.05.2007; Aktenzeichen 61 UR II 305/06)

 

Tenor

Auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragsteller werden der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Wiesbaden vom 21.5.2007 -61 UR II 305/06 AG Wiesbaden- abgeändert.

Die Nichtigkeit der zu TOP 12 und 13 der Wohnungseigentümer-versammlung vom 4.12.2006 gefassten Beschlüsse wird festgestellt.

Die der Antragstellerin zu 2) in Nr. 3 des Tenors des amtsgerichtlichen Beschlusses aufgegebene Unterlassung, das Teileigentum Nr. 501 ohne Zustimmung des Verwalters als religiöses Zentrum, für religiöse Betätigungen zu nutzen oder nutzen zu lassen, wird aufgehoben und der entsprechende Gegenantrag der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

Die Anträge der Antragsteller im Übrigen und die weiteren sofortigen Beschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten sämtlicher Instanzen tragen der Antragsteller zu 1) 34 % und der Antragsteller zu 2) 2 %, die Antragsgegner tragen als Gesamtschuldner 64 %. Außergerichtliche Kosten werden in sämtlichen Instanzen nicht erstattet.

Der Geschäftswert für die Verfahren vor dem AG und dem LG wird auf jeweils 311.740 EUR und für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 310.740 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller zu 2) und die Antragsgegner bilden die Wohnungseigentümer-gemeinschaft A-Str ... und B-Str ..., O1. Der Antragsteller zu 1) ist der ehemalige Eigentümer eines 157/1000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück A-Str ... verbunden mit dem Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im Erd- und Untergeschoss Nr. 501, in dem vormals ein Supermarkt betrieben wurde ("Supermarkt"). Der Verwalter stimmte der Veräußerung an den Antragsteller zu 2) zu. Der Antragsteller zu 2) wurde am 18.12.2006 als Eigentümer im Teileigentumsgrundbuch von O2 Blatt X, welches in Bezug genommen wird (Kopie Band I, Bl. 44 ff. d.A.), eingetragen.

Nach der Eintragung im Bestandsverzeichnis besteht das Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im Erdgeschoss und Untergeschoss Nr. 501 (Supermarkt), im Plan braun umrandet. Der Antragsteller zu 2) beabsichtigt, das Gebäude in ein Gebetshaus und Gemeindezentrum muslimischen Glaubens umzuwandeln.

Die Begründung von Sondereigentum erfolgte durch Teilungserklärung vom 21.6.1993 (UR-Nr. D/93 des Notars Dr. N1, O1), für deren Inhalt auf Fol. K der Grundakten von O2 Blatt Y bzw. Kopien Band V, Bl. 909 ff. d.A. Bezug genommen wird. In dieser Teilungserklärung wird unter § 1 der Grundbesitz des teilenden Eigentümers beschrieben. Neben der Angabe der Grundbuchstelle und der Lastenfreiheit in Abt. II und III lautet der letzte Absatz:

Das Grundstück ...

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