Entscheidungsstichwort (Thema)

Verantwortlichkeit eines Rechtsanwalts bei unrichtiger Faxübermittlung durch Rechtsanwaltsangestellte

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.02.2003; Aktenzeichen 2/27 O 192/01)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 09.10.2007; Aktenzeichen 1 BvR 1784/05)

BGH (Beschluss vom 06.06.2005; Aktenzeichen II ZB 9/04)

 

Tenor

1. Der Antrag der Beklagten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Einlegung der Berufung gegen das am 28.4.2003 zugestellte Schlussurteil des LG in Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.4.2003 zugestellte Schlussurteil des LG in Frankfurt am Main vom 28.2.2003 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Durch Schlussurteil vom 28.2.2003 wurde im vorliegenden Rechtsstreit die Widerklage abgewiesen und der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 28.4.2003 zugestellt. Am 28.5.2003 ging bei der Faxstelle des LG in Frankfurt am Main um 13.52 Uhr ein Fax des Beklagtenvertreters ein, wonach Berufung "gegen das der Beklagten am 28.4.2003 zugestellte Schlussurteil des AG Frankfurt/M. v. 28.2.2003 -- 2/27 O 192/01" eingelegt wurde. Dieses Fax wurde vom LG an das OLG in Frankfurt am Main weitergeleitet und ging dort am 30.5.2003 ein. Die per Post übermittelte Berufungsschrift ging am 2.6.2003 ein.

Die Beklagte hat die Verwendung der Faxnummer des LG in Frankfurt am Main statt der des OLG in Frankfurt am Main damit erklärt, dass ein offensichtlicher Bearbeitungsfehler der Rechtsanwalts- und Notargehilfin T. vorliege. Im Büro des Beklagtenvertreters werde mit einem Rechtsanwaltsprogramm gearbeitet. Bei einem Schriftsatz an das OLG erscheine automatisch dessen Anschrift nebst Telefaxnummer im Adressfeld des Schriftsatzes. Diese Telefaxnummer müsse die Rechtsanwaltsgehilfin versehentlich überschrieben haben mit der ihr geläufigen Faxnummer des LG in Frankfurt am Main. Die Beklagtenseite habe davon ausgehen können, dass bei der Justiz in Frankfurt nicht nur ein gemeinsamer Fristenbriefkasten und eine gemeinsame Briefannahmestelle bestehe, sondern auch eine zentrale Sammelstelle für Telefaxe (Bl. 261).

Der Beklagte ist der Auffassung, dass von einer fristgemäßen Berufung auszugehen sei. Eine Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht erforderlich, da die Beklagte damit habe rechnen können, dass das Fax noch vom selben Tag vom LG an das OLG weitergeleitet werde. Zumindest sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil der Bearbeitungsfehler der Rechtsanwaltsgehilfin der Beklagten nicht zugerechnet werden könne.

Die Klägerin hat zu dem Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Stellungnahme abgegeben.

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO kann nicht erfolgen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ohne ihr zurechenbares Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung der Berufung zu wahren. Es liegt ein Verschulden des Beklagtenvertreters vor, das der Partei anzurechnen ist.

Auszugehen ist dabei davon, dass die Eingabe einer falschen Faxnummer prinzipiell der Sphäre des Rechtsuchenden - und nicht des Gerichts - zuzurechnen ist und dies für eine verschuldete Fristversäumung spricht. Es ist weiterhin davon auszugehen, dass ein Rechtsanwalt für die richtige Adressierung seiner Schriftsätze auch bei Übermittlung per Telefax die persönliche Verantwortung trägt; soweit er die Adressierung seinem Büropersonal überlässt, hat er sie selbst auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Streitig ist in Rechtsprechung und Literatur, ob dies auch für die Ermittlung der richtigen Telefaxnummer des zutreffend bezeichneten Empfängers gilt (vgl. BAG v. 30.3.1995 -- 2 AZR 1020/94, BAGE 79, 379 ff. = MDR 1995, 1171 = CR 1996, 32; BGH v. 3.12.1996 -- XI ZB 20/96 = NJW 1997, 948; BVerwG NJW 1988, 2814).

Die Verwendung der richtigen Telefaxnummer hat insb. bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze besondere Bedeutung. Sie allein - und nicht die Anschrift - entscheidet über den ordnungsgemäßen Zugang. Deswegen ist nach Ansicht des Senats ein Rechtsanwalt persönlich dafür verantwortlich, dass die zutreffende Telefaxnummer des Berufungsgerichtes angegeben wird (Ebnet, NJW 1992, 2985 [2988]). Die zuverlässige Kenntnis der Telefaxnummer ist insb. zu erwarten von einem Rechtsanwalt, der ein Fax an ein Gericht übersendet, bei dem er zugelassen ist - kennt er diese nicht, gereicht ihm dies zum Verschulden. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des 3. Zivilsenats des BGH (BGH, Beschl. v. 26.5.1994 -- III ZB 35/93, NJW 1994, 2300) an.

Im Übrigen liegt nach Auffassung des Senats auch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Form einer nicht ausreichenden Unterrichtung der mit dieser Sache befassten Rechtsanwaltsgehilfin vor. Ein Rechtsanwalt muss seine Bürokräfte nicht nur sorgfältig auswählen, sonde...

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