Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt: Berücksichtigung des Tabellenunterhalts oder des Zahlbetrages beim Vorwegabzug des Kindesunterhalts

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vorabzug des Kindesunterhalt von dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils hat für die Berechnung des Ehegattenunterhalts in Höhe der Tabellen- und nicht der Zahlbeträge zu erfolgen. Eine Vorlage an das BVerfG kommt nicht in Betracht; § 1612b BGB ist verfassungskonform auszulegen.

§§ 1612b BGB n.F.: Vorabzug des Kindesunterhalts in Höhe des Tabellenbetrags bei Berechnung des Ehegattenunterhalts.

 

Normenkette

BGB §§ 1578, 1612a, 1612b

 

Verfahrensgang

AG Solingen (Urteil vom 25.01.2008; Aktenzeichen 37 F 334/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.06.2009; Aktenzeichen XII ZR 161/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG vom 25.1.2008 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der vor dem AG am 7.11.2005 geschlossene Vergleich - 37 F 63/04 - wird dahin gehend abgeändert, dass der Kläger für den Zeitraum von Januar 2008 bis 14.6.2008 nicht verpflichtet ist, an die Beklagte monatlichen Nachscheidungsunterhalt zu zahlen; für den Zeitraum ab 15.6.2008 ist der Kläger verpflichtet, monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 73 EUR an die Beklagte zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 40 % und die Beklagte zu 60 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages anwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

(gemäß § 540 ZPO):

I. Der Kläger begehrt die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs ab September 2007.

Der am ... 1970 geborene Kläger und die am ... 1977 geborene Beklagte heirateten am ... 2002; am ... 2003 wurde die Tochter L. geboren, welche seit der im Februar 2004 erfolgten Trennung der Parteien bei der Beklagten lebt. Mit Urt. v. 7.11.2005 - rechtskräftig seitdem - hat das AG die Ehe der Parteien geschieden (Bl. 82 GA).

Mit Vergleich vom 7.11.2005 (37 F 63/04) hat sich der Kläger zur Zahlung eines Nachscheidungsunterhalts von monatlich 219 EUR an die Beklagte ab Rechtskraft der Ehescheidung verpflichtet (Bl. 7 GA). Außerdem zahlt der Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil des AG vom 16.9.2004 (37 F 296/04, Bl. 53 GA) titulierten monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 192 EUR.

Für die Zeit ab Februar 2008 ließ die Beklagte den Kläger zur Zahlung eines um 10 EUR erhöhten Kindesunterhalts auffordern (Bl. 83, 104 GA); daraufhin hat der Kläger eine Jugendamtsurkunde erstellen lassen, mit welcher er sich zur Zahlung von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe ab März 2008 verpflichtete (Bl. 106 GA).

Sein früherer Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.7.2007; in einem anschließenden Arbeitsgerichtsprozess schlossen die dortigen Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.8.2007 endete (Bl. 4 GA). Seitdem ist der Beklagte arbeitssuchend und erhält ein monatliches Arbeitslosengeld von 1.022,70 EUR. Von Anfang Dezember 2007 bis 11.6.2008 absolvierte er eine von der Agentur für Arbeit finanzierte Qualifizierungsmaßnahme, wobei die Abschlussprüfung noch aussteht.

Mit dem Urteil vom 25.1.2008 hat das AG unter Abweisung der weiter gehenden Klage den Vergleich dahin gehend abgeändert, dass der Kläger für den Zeitraum von September bis Dezember 2007 nur noch zur Zahlung von monatlich 145 EUR und ab Januar 2008 nicht mehr zur Zahlung von Nachscheidungsunterhalt verpflichtet ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Abänderungsklage sei zum Teil begründet, da der Kläger auch unter Berücksichtigung eines fiktiven Zusatzeinkommens nur teilweise bzw. unter Ansatz eines höheren Selbstbehalts nicht mehr leistungsfähig sei. Bei einem Selbstbehalt von 850 EUR bis Ende 2007 und von 1.000 EUR ab Januar 2008 seit er daher nur teilweise bzw. seit Jahresbeginn gänzlich nicht mehr leistungsfähig. Auf die Frage, ob die Beklagte verpflichtet sei, ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten, komme es daher nicht an.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Nachdem sie zunächst die gänzliche Abweisung der Klage begehrt hat, verfolgt sie ihr Anliegen nunmehr im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe. Sie trägt vor, nach Hinweisen auf eine geringe Erfolgsaussicht der Abänderungsklage habe das AG dieser überraschend überwiegend stattgegeben. Sie sei bedürftig und auch nicht gehalten, ihre seit Januar in einen Geringverdienerjob umgewandelte Teilzeittätigkeit auszuweiten; wegen der Kindesbetreuung könne sie nachmittags nicht arbeiten. Der Kläger müsse sich zur Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen im bisherigen Rahmen erzielte. Er hätte sich bereits seit Februar 2007 intensiv um eine neue Arbeitsstelle bemühen müss...

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