Leitsatz (amtlich)

1. Architekt und Sonderfachmann können als Gesamtschuldner haften, wenn beide mangelhafte Planungsleistungen erbringen und diese zu einem Mangel am Bauwerk führen. Der Architekt haftet nur für solche dem Sonderfachmann in Auftrag gegebene Bereiche nicht, bei denen konkrete fachspezifische Fragen nicht zum Wissensbereich des Architekten gehören. Der Architekt braucht zwar den Sonderfachmann im Allgemeinen nicht zu überprüfen, sondern darf sich grundsätzlich auf dessen Fachkenntnisse verlassen. Statische Spezialkenntnisse werden von einem Architekten insoweit nicht erwartet. Muss indes der Architekt solche bautechnischen Fachkenntnisse haben, ist ein "Mitdenken" vom Architekten zu erwarten und er muss sich vergewissern, ob der Sonderfachmann zutreffende bautechnische Vorgaben gemacht hat. Es ist entscheidend darauf abzustellen, ob dem Architekten eine Überprüfung der Leistungen des Sonderfachmanns möglich und zumutbar war und ob sich ihm dabei Bedenken aufdrängen mussten.

2. Bei der Planung der Unterfangung des Giebel eines denkmalgeschützten historischen Gebäudes, das bereits entkernt worden ist, sind besonders gefahrenträchtige Umstände betroffen, die eine schriftlich zu erstellende Detailplanung erfordern und gesteigerte Anforderungen auch an die Koordinations- und Bauüberwachungspflichten des Architekten begründen. Dies gilt erst recht, wenn der Architekt erstmalig mit einer gerade erst gegründeten Baufirma zusammenarbeitet und selbst von deren Unzuverlässigkeit ausgegangen ist.

3. Die Darlegung und den Beweis für eine unzureichende Bauaufsicht muss zwar grundsätzlich der Auftraggeber führen; ihm kommen jedoch Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute. Liegen Mängel von Werkleistungen vor, die vom Architekten typischerweise entdeckt werden mussten, so spricht der Anscheinsbeweis für eine Bauaufsichtspflichtverletzung des Architekten.

4. Ist eine Architektenleistung nicht entsprechend den Vorgaben einer DIN-Norm ausgeführt worden, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhaft mangelhafte Architektenleistung und es obliegt dem Architekten darzulegen und zu beweisen, dass eingetretene Schäden nicht auf der Verletzung der DIN-Norm beruhen.

5. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist im Werkvertragsrecht (hier im Rahmen der Gesamtschuld von Architekt und Statiker) entsprechend anwendbar.

6. Der Architekt kann dem Auftraggeber kein Mitverschulden des Statikers im Sinne eines Planungs- bzw. Koordinierungsverschuldens entgegenhalten, auch wenn der Auftraggeber den Statiker eigenständig beauftragt hat, da den Auftraggeber weder eine Verpflichtung noch eine Obliegenheit im Rechtsverhältnis zum Architekten zur Vorlage einer mangelfreien Fachplanung bzw. Statik trifft bzw. vom Schutzzweck einer etwaigen Obliegenheit jedenfalls nicht umfasst ist, den Architekten dadurch von seiner o.a. Pflicht zum "Mitdenken" ganz oder auch nur teilweise zu entbinden.

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Urteil vom 02.07.2015; Aktenzeichen 5 O 136/10))

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Krefeld vom 02.07.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten des Streithelfers des Klägers im Berufungsverfahren werden der Beklagten auferlegt.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers und seines Streithelfers - wegen der Kosten des Berufungsverfahrens - durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger bzw. sein Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die Beklagte aus Architektenhaftung wegen mangelhafter Bauplanung bzw. -aufsicht bzw. -koordination in Zusammenhang mit der Erstellung von Bermen, Böschungen bzw. Giebelunterfangungen bei Erstellung eines Neubaus neben seinem ehemaligen denkmalgeschützten Objekt auf Schadensersatz in Höhe von 369.442,04 EUR (davon rd. 197.000 EUR Zahlungen, soweit nicht durch Bauleistungsversicherung erstattet, und rd. 173.000 EUR Verlust an Steuervorteilen wegen Entzug des Denkmalschutzes und Entfall von Sonderabschreibungen gemäß §§ 7i, 10f EStG) nebst Prozesszinsen in Anspruch, nachdem die Giebelwand dieses Objekts in der Nacht vom 05. auf den 06.10.2008 teilweise eingestürzt bzw. teilweise in die Baugrube des Kellers des angrenzend geplanten Neubaus gestürzt ist. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat der Klage nach Hinweisen (zum Anspruchsgrund, 293/390 ff. GA) und nach Beweisaufnahme - zunächst zur Anspruchshöhe (396/477/515 ff. GA) und sodann zum Anspruchsgrund (557/584/747 ff. GA, 603/769 ff. GA, 749/769 ff. GA) - dem Grunde nach entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB zu, weil sie gegen ihre vertraglichen Baupla...

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