Leitsatz (amtlich)

Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO entfällt für Massegläubiger das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage, da sie aus dem Titel ohnehin gem. § 210 InsO nicht mehr vollstrecken könnten. Dasselbe gilt auch nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO. Zulässig bleibt aber in beiden Fällen ein Feststellungsantrag dahin, dass es sich bei der in Streit stehenden Forderung um eine Masseverbindlichkeit handelt

Die Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 61 InsO greift nur ein, wenn er willentlich Masseverbindlichkeiten begründet. Das gilt indes nicht für die bis zum Wirksamwerden der Kündigung auflaufenden Mietzinsansprüche, wenn er den Mietvertrag der Insolvenzschuldnerin noch am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum nächst möglichen Zeitpunkt kündigt. Denn dabei handelt es sich um eine ihm "aufgezwungene" Masseverbindlichkeit.

Bei der Betriebskostennachforderung für ein bei Insolvenzeröffnung bereits abgelaufenes Geschäftsjahr handelt es sich auch dann nur um eine Insolvenzforderung, wenn die Abrechnung bei Insolvenzeröffnung noch nicht erstellt war.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 01.03.2013; Aktenzeichen 3 O 288/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 1.3.2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Kleve - Einzelrichter - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung des Beklagten und der

Anschlussberufung der Kläger wie folgt insgesamt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger 2.737,96 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.8.2012 sowie weitere 316,18 EUR als Masseverbindlichkeit gem. §§ 208 Abs. 1, 209 Abs. 1 Nr. 3, 55 InsO zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 70 % und der Beklagte zu 30 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 5.044,77 EUR

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung des Beklagten ist in der Sache teilweise begründet; die Anschlussberufung der Kläger ist unbegründet.

1. Die Berufung des Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 2.737,96 EUR nebst den nach diesem Streitwert entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten richtet. Die Kläger dringen insoweit jedoch mit ihrem Feststellungsbegehren durch.

a) Infolge der am 31.8.2012 erfolgten, für das Prozessgericht bindenden (vgl. BGHZ 154, 358 = NJW 2003, 2454) Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO hatten die Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für eine Leistungsklage, da sie aus einem Titel ohnehin gem. § 210 InsO nicht mehr hätten vollstrecken können. Für die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO ist diese Rechtsfolge allgemein anerkannt, (vgl. BGHZ 167, 178 = NJW 2006, 2997; BGHZ 154, 358 = NJW 2003, 2454; BGH WM 2004, 295, 298; ZInsO 2004, 674, 675; BAG ZIP 2002, 628, 629 f.; Braun/Kießner, InsO, 5. Aufl., § 208 Rz. 30). Für die Anzeige drohender Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO kann nichts anderes gelten. Diese ist der eingetretenen Masseunzulänglichkeit ausdrücklich gleichgestellt (vgl. etwa Hefermehl in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 208 Rz. 21; OLG Frankfurt, NZI 2005, 40); auch die Anzeige drohender Masseunzulänglichkeit führt zudem zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO (vgl. Baun/Kießner, a.a.O., § 210 Rz. 4; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 210 Rz. 2). Damit entfällt auch infolge einer Anzeige nach § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage. Für eine abweichende Behandlung zu den an die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO anknüpfenden Rechtsfolgen gibt es keinen rechtfertigenden Grund.

Zulässig bleibt aber der - von den Klägern hilfsweise gestellte - Feststellungsantrag dahin, dass es sich bei der in Rede stehenden, der Höhe nach unstreitigen Forderung um eine Masseverbindlichkeit handelt (vgl. BGHZ 154, 358 = NJW 2003, 2454; BAG, ZinsO 2005, 50; Braun/Kießner, a.a.O., § 208 Rz. 30; Uhlenbruck/Ries, a.a.O., § 208 Rz. 26). Dieser ist auch begründet. Bei der Mietzinsforderung für Juni 2012 handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2, 108 Abs. 1 Satz 1, 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

b) Eine Haftung des Beklagten gem. § 61 InsO haben die Kläger nicht schlüssig dargetan.

§ 61 Satz 1 InsO greift nur ein, wenn der Insolvenzverwalter - regelmäßig im Rahmen einer Betriebsfortführung - willentlich Masseverbindlichkeiten begründet, obwohl voraussehbar ist, dass diese bei Fälligkeit nicht erfüllt werden können (BGH, MDR 2011, 133; BGHZ 161, 236, 239 f.; 159, 104, 108 f.; BGH, ZInsO 2010, 287, 288 Rz. 7). Es handelt sich bei der Miete für Juni 2012 aber schon nicht um eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Beklagten begründet wor...

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