Leitsatz (amtlich)

1. Verzögerungen bei der Reparatur des unfallbeschädigten Kfz, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers. Insofern kann von dem Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum (hier: 104 Tage) beansprucht werden.

2. Hat die Werkstatt die Verzögerung mit Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen (hier: Airbag-Modul für die Beifahrerseite) begründet, trifft den Geschädigten keine dahingehende Schadenminderungspflicht, selbst bei anderen Werkstätten oder bei dem Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu forschen. Er darf sich vielmehr grundsätzlich darauf verlassen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um die zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen wird.

3. Der Geschädigte muss sich zur Verkürzung der Ausfallzeit grundsätzlich nicht mit einer Teilreparatur seines Kfz zufriedengeben.

4. Dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung steht nicht entgegen, dass dem Geschädigten während der Ausfallzeit seines Kfz von einem Familienmitglied ein anderes Kfz zur Verfügung gestellt worden ist. Insofern handelt es ich um die freiwillige Leistung eines Dritten, die den Schädiger nicht entlastet.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 254, 843 Abs. 4; StVG § 7 Abs. 1, § 17; VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 6 O 69/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 17.03.2020 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf - 6 O 69/19 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.216,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2019, zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche der Klägerin gegen die Firma M. GmbH, wegen der Reparatur des Fahrzeugs der Klägerin im Zeitraum vom 14.08.2018 bis zum 27.11.2018 bis zu einer Höhe von 8.018,59 Euro.

Darüber hinaus wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.242,83 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 36 % und die Beklagte zu 64 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. pp.

II. Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg.

Ihr steht infolge des Unfalls eine Nutzungsausfallentschädigung für 104 Tage, mithin in Höhe von 8.216,00 Euro, aus §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu. In diesem Zeitraum, in dem das Fahrzeug vier Tage lang begutachtet und sodann über 127 Tage hinweg - 31 Tage davon hat die Beklagte bereits reguliert - repariert wurde, konnte die Klägerin ihr Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen. Zudem ist der Klägerin vor Beauftragung des Gutachters und vor Erteilung des Reparaturauftrags eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist von jeweils zwei Tagen zuzubilligen. Die freiwillige Überlassung eines Ersatzfahrzeugs durch den Sohn während dieser Zeit schließt einen Erstattungsanspruch nicht aus. Ein über den sich demnach ergebenden Zeitraum von 104 Tagen hinausgehenden Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls besteht dagegen nicht; die weitergehende Verzögerung hat die Klägerin zu verantworten (§ 254 BGB).

Zudem stehen der Klägerin hinsichtlich des berechtigten Teils der Hauptforderung auch ein Anspruch auf Zinsen sowie ein Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugs zu.

Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

1. Von den Schadensersatzansprüchen, die der Klägerin infolge des von dem Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs alleine verschuldeten Unfalls zustehen, ist auch ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung umfasst (vgl. Senat, Urteil vom 28.05.2019 - 1 U 115/18, juris Rn. 22 f.).

Das bei dem Unfall beschädigte Fahrzeug hat der Klägerin erst nach Abschluss der Reparaturarbeiten am 18.12.2018 wieder zur Benutzung zur Verfügung gestanden. Eine frühere Rückgabe hat die Beklagte bereits nicht konkret behauptet und sie ergibt sich auch nicht aus dem durch die Klägerin als Anlage K6 vorgelegten Ablaufplan der Reparatur. Zwar weist dieser eine Fahrzeugrückgabe bereits am 27.11.2018 aus, jedoch kann es sich dabei nur um die ursprüngliche Planung handeln, da sich aus dem Ablaufplan ebenfalls die am 28.11.2018, also am Tag nach dem angeblichen Rückgabetermin, erfolgte Bestellung eines Kabelbaums ergibt, dessen Lieferung erst am 18.12.2018, dem Tag der durch die Klägerin behaupteten Rückgabe, in dem Ablaufplan unter der Überschrift "Bemerkungen zum Reparaturablaufplan / Gründe zu Reparaturverzögerungen" aufgeführt ist. Daraus ergibt sich, dass eine abschließende Reparatur nicht vor dem 18.12.2018 hat erfolgen können.

2. Der Umstand, dass die Klägerin während der Zeit, in der sie auf das Unfal...

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