Leitsatz (amtlich)

1. Eine die Kündigung ausschließende Kenntnis des Mieters von einem Sachmangel liegt vor, wenn er die die Gebrauchseinschränkung begründenden Tatsachen kennt.

2. Zur Umdeutung einer Hauptintervention in eine Nebenintervention im zweiten Rechtszug.

 

Normenkette

BGB §§ 535, 536b, 543 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen 2 O 453/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.6.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Kleve - Einzelrichterin - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Nebenintervenienten 23.008,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.834,68 EUR seit dem 5.10.2004, dem 5.11.2004, dem 5.12.2004, dem 5.1.2005, dem 5.2.2005 und dem 5.3.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 2.9.2004 nicht beendet worden ist.

Die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der Kosten der Nebenintervention werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 69.024 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Kaufmanns F. in G. (im Folgenden: Schuldner).

Der Schuldner vermietete der Beklagten zunächst mit Mietvertrag vom 21.6.1996 eine frühere Möbelausstellhalle in Geldern zum Betrieb eines Berufsfortbildungswerkes. Die Halle verfügt über Schaufenster, die nicht zu öffnen sind. Bereits bald nach Abschluss jenes Mietvertrages war die Frage mangelhafter Beschattung der Schulungsräume Gegenstand der Erörterung zwischen dem Schuldner und der Beklagten. Mit dem Ziel der Einbeziehung weiterer Räumlichkeiten schlossen die Parteien über jene Halle am 22.10.2001 erneut einen - nunmehr bis zum 22.10.2011 - befristeten Mietvertrag.

Nach Beschwerden von Ausbildungsteilnehmern überprüfte die TÜV Arbeit und Gesundheit GmbH im Juli 2003 die klimatischen Verhältnisse in den Räumen und stellte fest, dass in einem nach Süden gelegenen, 60 qm großen Schulungsraum für Maler die Vorgaben Arbeitsstättenverordnung - wegen Überhitzung - nicht eingehalten waren (Schreiben v. 25.7.2003).

Nach Aufforderungsschreiben vom 2.7., 22.7. und 13.8.2004 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 2.9.2004 das Mietverhältnis außerordentlich zum 30.9.2004.

Am 1.2.2005 wurden das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit am 4.3.2005 eingegangenem Schriftsatz nahm der Kläger das Verfahren nach Unterbrechung auf. Am 23.3.2005 wurde die Zwangsverwaltung bzgl. des Mietgrundstücks angeordnet; der Nebenintervenient ist zum Zwangsverwalter bestellt.

Das LG, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen wird, hat die auf Zahlung von Miete für die Monate Oktober 2004 bis März 2005 zzgl. Nebenkostenvorauszahlungen für Oktober und November 2004 gerichtete Klage abgewiesen.

Der Kläger hat Berufung eingelegt. Der Zwangsverwalter hat erklärt, er trete nunmehr an die Stelle des Insolvenzverwalters, und hat die Berufung sodann begründet. Kläger und Nebenintervenient machen geltend, die Kündigung vom 2.9.2004 sei unwirksam. Die in erster Instanz verfolgten Nebenkostenvorauszahlungen werden nicht mehr geltend gemacht.

Der Kläger und der Nebenintervenient beantragen, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie widerspricht der Parteiänderung durch Eintritt des Zwangsverwalters und hält ihre außerordentliche Kündigung für wirksam.

II. Die Berufung des Klägers hat Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung:

A. Die Berufung ist zulässig:

a) Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht gem. §§ 517, 519 ZPO eingelegt. Ungeachtet der bereits am 23.3.2005 erfolgten Anordnung der Zwangsverwaltung war er weiterhin prozessführungsbefugt und damit auch zur Einlegung der Berufung berechtigt. Die Anordnung der Zwangsverwaltung während des laufenden Rechtsstreits berührt nicht die Prozessführungsbefugnis des klagenden Insolvenzverwalters und sein Recht, den als Partei kraft Amtes begonnenen (hier: nach Insolvenzeröffnung übernommenen) Prozess fortzuführen und Rechtsmittel einzulegen.

Allerdings steht dem Zwangsverwalter gem. § 152 ZVG allein das Recht zu, das beschlagnahmte Grundstück zu verwalten und die Ansprüche, auf die sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen. Nach §§ 148, 21 Abs. 2 ZVG umfasst die Beschlagnahme auch die aus der Vermietung des Grundstücks sich ergebenden Mietzinsforderungen. Entsprechend gebührt grds. dem Zwangsverwalter das alleinige Prozessführungsrecht hinsichtlich aller der Zwangsverwaltung unterliegenden Rechte, Verpflichtungen und Ansprüche (BGH Rpfleger 1992, 402; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 152 Rz. 14; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 7 ZwVwV Rz. 2; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 152 Rz. 55).

Nicht anders als die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Forderung oder ihre Pfändung und Überwei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge