Leitsatz (amtlich)

1. Der Räumungsanspruch des Vermieters ist erst erfüllt, wenn der Mieter das Mietobjekt in Erfüllungsbereitschaft und nicht nur unter dem Druck der Zwangsvollstreckung herausgibt.

2. Mangelt es einem Mietvertrag an der Schriftform, weil vom Mieter zugunsten des Vermieters übernommene Bauverpflichtungen nicht beurkundet worden sind, so wird dieser Mangel durch Unterzeichnung eines formwirksamen Nachtrags zum Mietvertrag geheilt, wenn die Bauleistungen inzwischen erbracht sind.

3. Kündigt der Mieter wegen des Ungezieferbefalls (Ratten und Mäuse) in einer Apotheke das Mietverhältnis fristlos, obwohl das Ungeziefer auf von ihm vorgenommene Veränderungen der gemieteten Räume zurückgeht, so kann seine darauf gestützte außerordentliche Kündigung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unwirksam sein, selbst wenn den Vermieter die Verantwortung für in den Mieträumen außerdem auftretenden Befall durch Schaben trifft.

4. Zu den Voraussetzungen einer Zurückverweisung des Rechtsstreits wegen eines Verfahrensfehlers der unteren Instanz.

 

Normenkette

BGB §§ 535-536, 543 Abs. 2 Nr. 1, §§ 546, 362; ZPO § 538

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 29.06.2007; Aktenzeichen 17 O 166/05)

 

Tenor

Unter Zurückweisung des Rechtsmittels des Beklagten wird auf die Anschlussberufung der Kläger das am 29.6.2007 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Wuppertal - Einzelrichter - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage und seiner Widerklage verurteilt,

a) an die Kläger als Gesamthandsgläubiger 157.269,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 108.291,88 EUR seit dem 25.6.2005 und aus 48.977,35 EUR seit dem 28.10.2005 und

b) weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bis zum 31.5.2005 aus jeweils 5.443,69 EUR seit dem 04. 01., 04.02., 04.03., 04.04. und 4.5.2004, aus jeweils 3.745,44 EUR seit dem 04. 06., 04. 07., 04. 08., 04. 09., 04.10. und 4.11.2004, aus weiteren 9.623,44 EUR seit dem 4.12.2004 und aus jeweils 9.795,47 EUR seit dem 04. 01., 04. 02., 04. 03., 04. 04. und 4.5.2004 zu zahlen,

c) die im Kellergeschoss, Erdgeschoss (Ladenlokal) und dem ersten Obergeschoss gelegenen Räume im Hause P-Str. 1 - 3 in X. zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden den Klägern zu 4 %, dem Beklagten zu 96 %, die des zweiten Rechtszuges den Klägern zu 10 %, dem Beklagten zu 90 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Gegenseite leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

 

Gründe

A. Die Kläger sind nach ihrem verstorbenen Vater (künftig: Erblasser) Eigentümer des Geschäftshauses P-Str. in zentraler Lage der Stadt X.. Durch schriftlichen, mit dem Erblasser und dessen Ehefrau geschlossenen Vertrag vom 17.2.1973 (künftig: auch MV) mietete der Beklagte ab 1.8.1973 zum Betrieb seiner Apotheke im Erd-, Ober- und Kellergeschoss des Gebäudes gelegene Geschäftsräume, die er zuvor auf seine Kosten innen und außen baulich verändern ließ, darunter - entsprechend der vertraglich eingegangenen Verpflichtung - die Herstellung der Fassadenverkleidung nach den Bauplänen des im Vertrag bezeichneten Architekten (künftig: Baupläne). Das zunächst auf 20 Jahre befristete Mietverhältnis, für dessen Verlängerung um weitere 10 Jahre dem Mieter ein Optionsrecht eingeräumt worden war, verlängerten der Erblasser und der Beklagte durch Nachtrag vom 21.8.1985 (künftig: Nachtrag 1985) bis zum 31.7.2003. Das ihm gleichzeitig wiederum eingeräumte 10-jährige Optionsrecht übte der Beklagte bereits durch Erklärung vom 28.1.1993 aus. Durch Nachtrag vom 31.3.1995 (künftig: Nachtrag 1995) kamen die Parteien u.a. überein, dass der ursprüngliche Mietvertrag in der Fassung des Nachtrags 1985 zwischen Ihnen maßgeblich sei und wegen der Optionsausübung bis zum 31.7.2013 fortgelte. Im Verlaufe des Jahres 2003 kam es zwischen ihnen zum Streit um die Miethöhe, die der Beklagte wegen "negativer Veränderungen" in der umgebenden Vermietungsstruktur und dadurch ausgelöster Rückgänge der Apothekenumsätze gemindert sah. In dem über die Kürzungen im Zeitraum von August bis Dezember 2003 i.H.v. knapp 50 % der monatlichen Miete geführten Rechtsstreit (17 O 450/03 LG Wuppertal, künftig: Vorprozess) unterlag der Beklagte; die Kläger mussten gegen ihn zur Durchsetzung des Titels mehrfach Vollstreckungszwang androhen.

Auch ab Januar 2004 zahlte der Beklagte die nach dem Vertrag geschuldete und wertgesicherte Miete (11.321,69 EUR/mtl., ab Januar 2005 11.524,08 EUR mtl.) nicht, sondern kürzte sie bis einschließlich November 2004 um 5.878 EUR/mtl.; ab Dezember 2004 zahlte er gar keine Miete mehr. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 7.6.2004 kündigte er das Mietvertragsverhältnis ordentlich mit gesetzlicher Frist und begründete den Mieteinbehalt mit...

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