Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.04.2022; Aktenzeichen EnVR 48/18)

 

Tenor

Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 05.10.2016 (BK4-16-161) wird aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Eigenkapitalzinssätze für Alt- und Neuanlagen für Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen für die dritte Regulierungsperiode in der Anreizregulierung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzulegen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen der Beschwerdeführerin werden der Bundesnetzagentur auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 100.000 Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beschwerdeführerin, die ein Gasversorgungsnetz betreibt, wendet sich gegen die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze gemäß § 7 Abs. 6 GasNEV für die dritte Regulierungsperiode. Mit den Festlegungen vom 05.10.2016 (BK4-16-160 und BK4-16-161) hat die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur für die Dauer der dritten Regulierungsperiode für Betreiber von Strom- und Gasversorgungsnetzen die Eigenkapitalzinssätze für Neuanlagen auf 6,91 % und für Altanlagen auf 5,12 %, jeweils vor Steuern, festgelegt.

Den Eigenkapitalzinssatz nach Steuern hat die Bundesnetzagentur für Neuanlagen auf 5,64 % festgesetzt. Er ergibt sich aus der Summe aus dem auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten und einem Zuschlag zur Abdeckung betriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse.

Zur Ermittlung angemessener Eigenkapitalzinssätze hatte die Beschlusskammer - wie schon für die Festlegung der Zinssätze für die erste und zweite Regulierungsperiode - bei Frontier Economics Ltd. London ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse nahezu unverändert in die streitgegenständliche Festlegung eingeflossen sind (im Folgenden: Frontier-Gutachten). Der Verband kommunaler Unternehmen e.V. hatte seinerseits das Beratungsunternehmen DNV GL SE, Hamburg, vormals KEMA Consulting GmbH, Bonn, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt (im Folgenden: DNV-Gutachten). Die Empfehlungen des DNV-Gutachtens weichen von den Empfehlungen des Frontier-Gutachtens deutlich ab. Sie liegen bei Zinssätzen in einer Bandbreite von 7,68 % bis 8,12 % für Neuanlagen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) hatte bei der NERA Economic Consulting die Erstellung eines eigenen Gutachtens beauftragt (im Folgenden: NERA-Gutachten). Dieses gelangt zu dem Ergebnis, dass die festgesetzten Eigenkapitalzinssätze nicht im Einklang mit den regulatorischen Anforderungen der Netzentgeltverordnungen stehen. Einige Energieversorgungsunternehmen haben weitere Gutachten eingeholt.

Den risikolosen Zinssatz hat die Bundesnetzagentur unter Zugrundelegung des auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitts der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten ermittelt und auf 2,49 % festgesetzt (Ziffer C) I.1., Bl. 4 der Festlegung). In der Umlaufsrendite sind nach Angabe der Deutschen Bundesbank folgende festverzinsliche Wertpapiere inländischer Emittenten enthalten:

  • Bankschuldverschreibungen (Hypothekenpfandbriefe; öffentliche Pfandbriefe; Schuldverschreibungen von Spezialkreditinstituten; Sonstige Bankschuldverschreibungen)
  • Anleihen von Unternehmen
  • Anleihen der öffentlichen Hand

Die Ermittlung der Jahreswerte ist als einfaches Mittel der Monatswerte erfolgt. Aus den entsprechenden Jahreswerten ist der auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogene Durchschnitt wiederum als einfaches Mittel der Jahreswerte errechnet worden. Die Bundesnetzagentur hat insoweit das arithmetische, nicht das geometrische Mittel verwandt und dies damit begründet, dass die Umlaufsrendite jeweils auf ein Jahr bezogen ermittelt werde und diese Größe keinen Bezug zu einem zeitlichen Vorgängerwert habe.

Den Zuschlag zur Abdeckung betriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse hat die Beschlusskammer auf 3,15 % festgelegt (Ziffer C) I.2., Bl. 6 der Festlegung). Diesen Wert hat sie aus dem Produkt der Marktrisikoprämie in Höhe von 3,80 % und einem Risikofaktor in Höhe von 0,83 errechnet. Wie in den beiden vorherigen Festlegungen zur ersten und zweiten Regulierungsperiode hat die Bundesnetzagentur einen kapitalmarktorientierten Ansatz gewählt und die Marktrisikoprämie unter Bezugnahme auf das Ergebnis des von ihr bei der Frontier Economics Ltd. in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Gutachtens erneut auf Basis langfristiger historischer Kapitalmarktdaten für ein Weltportfolio aus mittlerweile 23 Nationen über einen Zeitraum von 1900-2015 ermittelt. Wie schon in den früheren Gutachten zu den Eigenkapitalzinssätzen für die erste und zweite Regulierungsperiode hat Frontier zur Berechnung der Marktrisikoprämie ausschließlich Daten a...

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