Leitsatz (amtlich)

Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Sinne der Pflichtteilsstrafklausel ("Sollten die Kinder ... nach dem Tode ihres Vaters als Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend machen, so sollen sie nach dem Tode des Letztversterbenden von uns ebenfalls nur pflichtteilsberechtigt sein,...") erfordert ein entsprechendes ernsthaftes Verlangen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben, nicht dessen erfolgreiche, womöglich gerichtliche Durchsetzung oder die wirksame Ausschlagung des Nacherbes.

 

Normenkette

BGB §§ 2075, 2106 Abs. 1, §§ 2269, 2353

 

Verfahrensgang

AG Oberhausen (Beschluss vom 01.03.2011; Aktenzeichen 6 VI 1008/10)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 110.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn, die Beteiligte zu 2 die adoptierte Tochter des am 5.5.2005 verstorbenen Erblassers.

Der Erblasser war bis zu seinem Tode verheiratet mit A. D., geborene M., die am 14./15.10.2010 verstorben ist.

Die Eheleute D. hatten am 7.5.1996 zu Urkundenrolle Nr. .../1996 des Notars U. B. in O. ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Das nach dem Tode des Erblassers am 31.5.2005 eröffnete Testament enthielt u.A. folgende Bestimmungen:

"..., setzen wir,.. uns nunmehr wechselseitig zu alleinigen Erben ein.

Erben des Letztversterbenden von uns, eingesetzt auf das, was beim Tod des Überlebenden von unserem beiderseitigen Vermögen dann noch vorhanden sein sollte, sollen zu gleichen Teilen nach Stämmen die vorgenannten Abkömmlinge sein.

Für den Fall des Versterbens von mir,..., soll allerdings meine Ehefrau ... nur Vorerbin sein. Nacherben sollen meine oben genannten Kinder nach Stämmen zu gleichen Teilen sein.

Der Nacherbfall soll im Falle des Todes der Vorerbin und im Falle der Wiederverheiratung der Vorerbin eintreten.

Sollten die Kinder U. und K. nach dem Tode ihres Vaters als Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend machen, so sollen sie nach dem Tode des Letztversterbenden von uns ebenfalls nur pflichtteilsberechtigt sein, so dass in diesem Fall Frau A. als Überlebende von uns über die Erbregelung nach ihrem Tode frei verfügen kann ...".

Nach dem Tod ihres Vaters (5.5.2005) teilte die Beteiligte zu 2 der Vorerbin, ihrer Stiefmutter, durch Anwaltsschreiben vom 14.6.2005 mit, ihr, der Beteiligten zu 2, stehe ein Pflichtteils- und womöglich auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, wies auf die Auskunftspflicht als Erbin hin, fügte einen Vordruck zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses bei, bat um Erteilung des Verzeichnisses bis zum 4.7.2005 und um Beibringung eines Sachverständigengutachtens über den Wert des Grundbesitzes bis zum 31.8.2005. Mit Anwaltsschrift vom 9.6.2006 ließ die Beteiligte zu 2 sodann den bevollmächtigten Anwälten der Vorerbin mitteilen, sie habe sich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, die Erbeinsetzung als Nacherbin auszuschlagen und ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen; die Ausschlagungserklärung werde in Kürze dem Nachlassgericht übersandt. Es werde um Mitteilung gebeten, ob und wann die Vorerbin bereit und in der Lage sei, den Pflichtteil auszuzahlen.

Nachdem am 14./15.10.2010 auch die Ehefrau des Erblassers verstorben war, hat der Beteiligte zu 1 einen Erbschein beantragt, wonach seine Stiefmutter den Erblasser als Vorerbin und er, der Beteiligte zu 1, seinen Vater, als alleinigen Nacherben beerbt habe.

Er hat geltend gemacht, seine Schwester, die Beteiligte zu 2, habe nach dem Tode des Erblassers Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Daher sei sie von der Erbfolge ausgeschlossen.

Die Beteiligte zu 2 ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, sie sei durch das Testament zu gleichen Teilen mit dem Beteiligen zu 1 als Nacherbin eingesetzt worden. Pflichtteilsansprüche habe sie nach dem Tode des Erblassers nicht wirksam geltend gemacht; insbesondere habe sie die Nacherbschaft nicht ausgeschlagen, so dass die "Strafklausel" aus dem gemeinschaftlichen Testament nicht eingreife.

Das AG - Nachlassgericht - hat mit Beschluss vom 1.3.2010 die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligen zu 1 vom 15.11.2010 erforderlich sind, für festgestellt erachtet und angekündigt, den beantragten Erbschein zu erteilen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, in dem Schreiben des Rechtsanwalts P. vom 9.6.2006 an den Rechtsbeistand der Vorerbin, A. D., sei eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu sehen, die zu einem Eintritt der Verwirkungsklausel und damit zu einem Entfallen der Nacherbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 führe.

Dass dieser Anspruch betragsmäßig nicht beziffert worden sei, sei unbeachtlich. Auch stehe nicht entgegen, dass die in diesem Schreiben angekündigte Ausschlagung in der Folgezeit gegenüber dem Nachlassgericht nicht erklärt worden ist. Denn das Verlangen des Pflichtteils zur Erfüllung der Verwirkungsklausel sei an keine besondere Form gebunden, sondern setze lediglich voraus, dass das Verlangen - wie hier der Fall - auf die Ernsthaftigkeit der En...

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