Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren in einer Familiensache: Statthaftigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Einführung der Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG) ist eine Untätigkeitsbeschwerde nicht mehr statthaft.

 

Normenkette

GVG § 198 Abs. 3; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Dinslaken (Aktenzeichen 19 F 115/11)

 

Tenor

Die mit Schriftsatz vom 25.11.2011 erhobene Beschwerde der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

1. In dem seit dem 5.5.2011 anhängigen Verfahren begehrt die Antragstellerin von dem Antragsgegner, ihrem getrennt lebenden Ehemann, Kindes- und Trennungsunterhalt für die Zeit ab April 2011. Sie hat mit einem an das AG Duisburg-Ruhrort gerichteten Schriftsatz vom 29.4.2011 um Verfahrenskostenhilfe gebeten, über die das nach Abgabe zuständige AG Dinslaken bislang noch nicht entschieden hat. Nachdem der als Vertreter des erkrankten ordentlichen Dezernenten tätige Amtsrichter mit Verfügung vom 12.11.2011 (Gerichtsakte - abgekürzt GA - Bl. 98) Termin zur Prüfung im Verfahrenskostenhilfe-Verfahren auf den 29.5.2012 bestimmt hatte, hat sie mit Schriftsatz vom 25.11.2011 (GA Bl. 102 f.) "gegen die Untätigkeit des Gerichts im Hinblick auf den mit Schriftsatz vom 29.4.2011 gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe" Beschwerde eingelegt, die der Amtsrichter dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrensablaufs wird auf den am 21.12.2012 erlassenen sog. Nichtabhilfe-Beschluss des AG (GA Bl. 106 ff.) verwiesen.

2. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Der Senat kann offen lassen, ob eine sog. Untätigkeitsbeschwerde anzuerkennen gewesen wäre, die von einzelnen Gerichten und Teilen der Literatur befürwortet worden ist (vgl. dazu etwa Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 567 Rz. 25; Heßler in Zöller ZPO, 29. Aufl., § 567 Rz. 21; Ball in Musielak ZPO, 8. Aufl., § 567 Rz. 14, jeweils mit weiteren Nachweisen; ferner BVerfG NJW 2008, 503 mit dem Hinweis, dass die gesetzlich bislang nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde dem in der Plenarentscheidung vom 30.4.2003 - NJW 2003, 1924 - besonders hervorgehobenen Gebot der Rechtsmittelklarheit nicht genüge). Denn inzwischen hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die für eine außerhalb des geschriebenen Rechts stehende Beschwerde keinen Raum mehr lässt. Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren vom 24.11.2011 (verkündet im Bundesgesetzblatt vom 2.12.2011 BGBl. 2011 Teil I Seite 2302 ff.) hat er das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ergänzt und mit den durch Art. 1 eingefügten §§ 198-201 GVG die aus seiner Sicht gebotenen Abhilfemöglichkeiten geschaffen. Nach § 198 Abs. 1 GVG n.F. wird ein Verfahrensbeteiligter, der durch eine unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Abs. 3 Satz 1 bestimmt dazu, dass ein Verfahrensbeteiligter eine Entschädigung nur erhält, "wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge)". Diese Bestimmung gilt gem. Abs. 5 Nr. 1 auch für das Verfahrenskostenhilfe-Prüfungsverfahren und ist gem. Art. 23 des Gesetzes (Übergangsvorschrift) auch auf solche Verfahren anzuwenden, die bei dem In-Kraft-Treten - am Tage nach der Verkündung, also am 3.12.2011 (vgl. Art. 24) - bereits anhängig waren. Mit §§ 198 ff. GVG hat sich der Gesetzgeber, wie den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 17/3802, Seite 16 unter Punkt 4) zweifelsfrei zu entnehmen ist, gegen den außerordentlichen Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde entschieden. Denn die Verzögerungsrüge soll bei dem "mit der Sache befassten Gericht" und nicht bei dem Beschwerdegericht erhoben werden. Sie ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers geeignet, auf das Prozessgericht präventiv einzuwirken. Die mit einer Vorlage der Akten an das Rechtsmittelgericht zwangsläufig verbundene Verzögerung soll dagegen vermieden werden. In ersten Stellungnahmen (Meyer-Holz in Keidel FamFG 17. Aufl. Rz. 87 ff., 90 des Anhangs zu § 58; Zöller/Heßler, a.a.O., Rz. 21b; Althammer/Schäuble NJW 2012, 1/5; s. ferner Zimmermann FamRZ 2011, 1905) wird deshalb angenommen, dass nach Einführung der §§ 198 ff. GVG eine außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde als unzulässig anzusehen sei. Dem schließt sich der Senat an. Eine planwidrige Regelungslücke, die durch einen von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsbehelf geschlossen werden könnte, besteht nicht mehr. Die Gesetzesmotive sprechen deshalb ebenso wie die mit gravierenden Unsicherheiten verbundene Entwicklung der Rechtsprechung in der Vergangenheit (vgl. dazu die zitierten Ausführungen des BVerfG) eindeutig dagegen, eine Untätigkeitsbeschwerde nach der Ergänzung des GVG noch zuzulassen. Ein Nebeneinander von Verzögerungsrüge und Untätigkeitsbeschwerde würde das Verfahren mit weiteren Zweifelsfragen belasten und den zügigen Abschluss erschweren. Denn das Prozessgericht müsste, falls es der Beschwerde nicht abhilft (und auch die ange...

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