Leitsatz (amtlich)

In den Schwellenwert des § 76, 77, 77a BetrVG 1952 sind Leiharbeitnehmer nicht einzubeziehen, da sie nicht Betriebsangehörige des Entleiherbetriebes sind.

Die Einräumung des aktiven Wahlrechts für Leiharbeitnehmer durch § 7 Abs. 2 BetrVG in der ab dem 28.7.2001 geltenden Fassung und ihre tatsächliche Eingliederung in den Betrieb führt nicht zur Betriebsangehörigkeit, weil es bei Leiharbeitnehmern an der typischen mitbestimmungsrelevanten Betroffenheit ihrer Interessen durch unternehmerische Entscheidungen des Entleiherbetriebes fehlt.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 30.12.2003; Aktenzeichen 22 O 428/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss der 22. Zivilkammer des LG Köln vom 30.12.2003 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Beschwerdewert: 50.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Besetzung des Aufsichtsrates der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin ist eine Holdinggesellschaft, an der der ... Bundesverband sowie die 17 ... Landesverbände beteiligt sind. Zwischen der Antragsgegnerin, der ... Verlag GmbH, der ... Consult GmbH und der ... Systems GmbH bestehen Organschaftsverträge. Sie bilden einen Unterordnungskonzern i.S.d. § 18 AktG. Bei der ... Verlag GmbH und der ... Systems GmbH bestehen Betriebsräte, darüber hinaus besteht ein Konzernbetriebsrat.

Die ... Systems GmbH ist das "Softwarehaus" des ...-Systems. Sie unterstützt den ... Bundesverband bei der Entwicklung und Abstimmung von Verfahren und Programmen für die automatische Datenverarbeitung, den Datenschutz, die Datensicherung sowie die Abstimmung über die wirtschaftliche Nutzung von Rechenzentren zur Erfüllung von Aufgaben der Mitglieder und der Krankenkassen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben setzt die ... Systems GmbH eigene Arbeitnehmer ein, zieht jedoch zusätzlich zur Abschöpfung des erforderlichen Know-Hows eine gewisse Anzahl von Mitarbeitern der ... Landesverbände heran. Mit den betreffenden ... Landesverbänden schließt die ... Systems GmbH "Dienstleistungsüberlassungsverträge". Nach diesen Verträgen besteht das Arbeitsverhältnis zur ... unverändert fort. Die Mitarbeiter unterliegen auch weiterhin dem Weisungsrecht der ... Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Grundlagen wird verwiesen auf Bl. 84-99 GA.

Die ... Systems GmbH beschäftigt 307 fest angestellte Mitarbeiter (hiervon 1 Geschäftsführer und 6 Prokuristen), 14 Werkstudenten, 3 Mitarbeiter mit Zeitverträgen und 135 Mitarbeiter der Landesverbände, die zeitweilig zu Tätigkeiten herangezogen werden. Die Antragsgegnerin selbst verfügt über 2 Mitarbeiter. Die weiteren konzernangehörigen Unternehmen beschäftigen insgesamt 105 Mitarbeiter, die ... Verlag GmbH 68, die ... Consult GmbH 37.

§ 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Antragsgegnerin sieht vor, dass der Aufsichtsrat aus 8 Mitgliedern des ... Bundesverbandes ohne Beteiligung der Arbeitnehmer gebildet wird.

Gegen den Ausschluss von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin wenden sich die Beschwerdeführer. Sie sind der Auffassung: Neben den 431 fest angestellten Mitarbeitern des Konzerns seien im Hinblick auf den Schwellenwert des § 77 BetrVG 1952 auch die 135 im Rahmen der Dienstleistungsüberlassungsverträge für die ... Systems GmbH tätigen Mitarbeiter der Landesverbände der ... mitzuzählen. Diese seien nach der Neufassung des BetrVG als echte "Leiharbeitnehmer" gem. § 7 Abs. 2 BetrVG nunmehr wahlberechtigt. Damit sei der Schwellenwert des § 77 BetrVG 1952 von 500 Arbeitnehmern im Konzern überschritten, sodass der Aufsichtsrat zu 1/3 mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen sei.

Sie haben beantragt, auszusprechen, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach den Vorschriften des § 129 BetrVG 1972 i.V.m. §§ 76, 77, 77a BetrVG 1952 i.V.m. den Vorschriften der §§ 95-114 AktG zusammenzusetzen ist, mit der Maßgabe, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin zu 1/3 aus Vertretern der Arbeitnehmer zu bestehen hat.

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie sieht in der Neufassung des § 7 Abs. 2 BetrVG keine grundsätzliche Neuausrichtung des für § 77a BetrVG 1952 maßgeblichen Arbeitnehmerbegriffs.

Das LG hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Bei der Berechnung des Schwellenwertes seien die 135 durch die ... Systems GmbH zu Projekten herangezogenen Mitarbeiter der Landesverbände nicht mitzurechnen, wobei offen bleiben könne, ob es sich überhaupt um ein echtes Leiharbeitnehmerverhältnis handele. Der Arbeitnehmerbegriff des § 5 BetrVG sehe die Eingliederung in die Betriebsorganisation und ein zum Betriebsinhaber bestehendes Arbeitsverhältnis vor. Die 135 herangezogenen Mitarbeiter stünden jedoch in keiner vertraglichen Beziehung zur ... Systems GmbH. Das Bundesarbeitsgericht habe in jüngsten Entscheidungen zudem bestätigt, dass die Einräumung des Wahlrechts n...

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