Leitsatz (amtlich)

Die Stellung des Antragstellers als gesetzlicher Erbe nach dem Tod seines Vaters rechtfertigt die Grundbucheinsicht, und zwar mit Blick auf den zu beurteilenden Nachlasswert, auch in die Abteilungen II und III.

 

Normenkette

GBO § 12 Abs. 1 S. 1, § 12c Abs. 4 S. 2; BGB § 1924 Abs. 1, § 2311 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Beschluss vom 30.07.2010; Aktenzeichen FG-...)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss vom 30.7.2010 wird aufgehoben.

Das AG Düsseldorf (Grundbuchamt) wird angewiesen, dem Beteiligten eine unbeglaubigte Grundbuchabschrift zu erteilen.

Geschäftswert: 3.000 EUR

 

Gründe

I. Der Antragsteller verlangt im vorliegenden Verfahren die Überlassung einer Ablichtung des Grundbuchs Flingern, Blatt ... Er war bis 1994 in Erbengemeinschaft mit seinen beiden Geschwistern und seinem Vater, als Miteigentümer zu ½ Anteil im Grundbuch eingetragen. Der weitere hälftige Miteigentumsanteil stand zunächst dem Vater des Antragstellers zu. Dessen Anteil wurde auf Grund einer Auflassung am 27.3.1990 auf die beiden Geschwister des Antragstellers umgeschrieben. Außerdem übertrug der Vater seinen Anteil an der Erbengemeinschaft auf die beiden Geschwister des Antragstellers. Auf Grund des Zuschlagsbeschlusses vom 28.6.1993 in dem Zwangsversteigerungsverfahren zum Zwecke der Aufhebung der Erbengemeinschaft (65 aK 411/92, AG Düsseldorf) wurde auch der Miteigentumsanteil der Erbengemeinschaft den beiden Geschwistern des Antragstellers zu je ½ zugeschlagen und das Grundbuch am 8.2.1994 entsprechend umgeschrieben.

Zur Begründung seines Einsichtsbegehrens hat der Antragsteller im Wesentlichen vorgebracht, dass er nach dem Tod seiner Eltern noch erbrechtliche Ansprüche habe.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG hat am 20.4.2010 dem Antragsteller einen amtlich beglaubigten Ausdruck der durch die Neufassung ersetzten Abt. I auf aktuellem Vordruck ohne Eigentumswechsel des Grundbuchs von Flingern Blatt ... übersandt und die Überlassung weiterer Auszüge abgelehnt. Durch Beschluss vom 30.7.2010 hat das AG der gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin gerichteten Erinnerung nicht abgeholfen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 18.10.2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.1. Die gem. §§ 12c Abs. 4 Satz 2, 71 GBO statthafte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 1 GBO ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2010 - I-3 Wx 45/10; KG, NJW-RR 2004, 943 f.; BayObLG Rpfleger 1999, 216 [217]; Demharter, GBO, 24. Aufl., § 12 Rz. 7 ff.;). § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Dabei genügt zwar nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers. Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2010 - I-3 Wx 45/10; BayObLG Rpfleger 1999, S. 216 f.; KG NJW 2002, 223 ff.; KG NJW-RR 2004, 1316 ff.). In Zweifelsfällen ist auch zu berücksichtigen, dass der in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffene grundsätzlich vor der Gewährung der Einsicht nicht gehört wid (BVerfG NJW 2001, 503 ff.) und ihm gegen die Gewährung auch kein Beschwerderecht zusteht (BGHZ 80, 126 ff.).

b) Das AG hat bei der Anwendung dieser Grundsätze rechtsfehlerhaft allein darauf abgestellt, dass der Beteiligte nach Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht mehr "Miteigentümer" des Grundbuchs ist. Es hat außer Acht gelassen, dass der Antragsteller darüber hinaus dargetan hat, er habe als leiblicher Sohn seines am 20.7.2006 verstorbenen Vaters noch erbrechtliche Ansprüche.

Jedenfalls die Stellung des Antragstellers als gesetzlicher Erbe seines Vaters (§ 1924 Abs. 1 BGB) rechtfertigt die Grundbucheinsicht, denn die Kenntnis vom Grundbuchinhalt kann für die Prüfung erbrechtlicher Ansprüche erheblich sein (vgl. zum berechtigten Interesse eines Pflichtteilsberechtigten oder E. KG NJW-RR 2004, 1316 ff.; LG Stuttgart, BWNotZ 2007, 40 f.; Staudinger/Haas, BGB, Neubearbeitung 2006, § 2314 Rz. 57a; Birkenheier in: juris PK-BGB, 4. Aufl. 2008, § 2314 Rz. 89). Das gilt auch für die Eintragungen in Abt. II und III des Grundbuchs, da diese Einfluss auf den maßgebenden Nachlasswert (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB) haben können. Es ist sachlich begründet, wenn der Antragsteller die Entscheidung, ob er Pflichtteils- oder gar Erbansprüche geltend macht, von dem Wert des Grundstücks abhängig machen will, denn insoweit handelt es sich - anders als bei Pflichtte...

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