Leitsatz (amtlich)

1. Dass der Vorsitzende eines Zivilsenats selbst Halter eines Dieselfahrzeugs der Abgasnorm Euro 5 ist, er das ihm vom Hersteller angebotene Aufspielen eines Software-Updates nach Beratung mit dem Anwalt eines Verkehrsclubs wegen zu besorgender negativer Folgen abgelehnt hat und er aktuell eine Inanspruchnahme des Herstellers prüft, rechtfertigt weder die Selbstablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit noch ein Befangenheitsgesuch desselben Herstellers als Beklagter in einem vor dem Senat geführten Rechtsstreit, in dem der Käufer eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs Ansprüche gegen Verkäufer und Hersteller geltend macht.

2. Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen einer aus dem Belang des zugrundeliegenden tatsächlichen Geschehens bzw. des öffentlichen (publizistischen) Interesses abgeleiteten allgemeinen Bedeutung.

 

Normenkette

VwVfG Rechtsgedanke § 20 Abs. 1 S. 3; ZPO § 2. Fall, § 42 Abs. 1-2, §§ 48, 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 10 O 393/17)

 

Tenor

Die Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... wird für unbegründet erklärt.

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten zu 2. wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat ein Fahrzeug der Marke ... erworben, das von dem sogenannten Abgasskandal betroffen ist. Im Rechtsstreit macht er unter Berufung hierauf Ansprüche gegen seine Verkäuferin und die Herstellerin des Wagens geltend. Zur Entscheidung über diese Klage ist der Senat berufen.

Der Senatsvorsitzende, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ..., hat sich dienstlich wie folgt geäußert:

Er sei seit Jahren Halter eines ..., eines Dieselfahrzeuges der Abgasnorm Euro 5. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe ein mit dem Betreff "Halterinformation" versehenes Schreiben an ihn gerichtet, wonach ein Informationsschreiben seines Kfz-Herstellers zu einer Servicemaßnahme an seinem Kraftfahrzeug beigefügt sei. Nach diesem Schreiben werde der Hersteller in Abstimmung mit den Behörden im Rahmen einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme die Software des Motorsteuergerätes von Dieselfahrzeugen der Abgasnorm Euro 5 aktualisieren, dieses Software-Update liege nun vor und könne aufgespielt werden. Seine Lebensgefährtin, die ebenfalls Halterin eines ... sei, habe eine entsprechende Information des Kraftfahrt-Bundesamtes bereits zuvor erhalten gehabt.

Er habe sich mit der Bitte um Beratung zu dem vorgeschlagenen Software-Update an den ADAC, dessen Mitglied er sei, gewandt. Ihm sei umfassend schriftlich geantwortet worden. Nach Rücksprache mit der technischen Beratung des ... (Verkehrsclubs) habe er entschieden, das angebotene Update nicht durchführen zu lassen; man habe ihm nicht sagen können, ob die Maßnahme unter Umständen negative Folgen haben könne, jedenfalls übernehme der Hersteller eine Garantie insoweit nur für zwei Jahre und bis maximal 250.000 km Laufleistung, die sein Fahrzeug inzwischen erreicht habe.

Derzeit prüfe er, ob er den Händler oder den Hersteller in Anspruch nehmen werde. Hierzu habe er einen Vertragsanwalt des ... (Verkehrsclubs) um Rat gebeten. Die Antwort stehe noch aus.

Die vorstehenden Umstände zeige er an, weil er nicht ausschließen könne, dass sie aus Sicht der Prozessparteien in den beim Senat anhängigen Verfahren im sogenannten Abgasskandal geeignet seien, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Gestützt auf diese Erklärungen, hat in der Folgezeit die Beklagte zu 2. den Senatsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II. Sowohl die sogenannte Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters nach § 48 ZPO als auch das Ablehnungsgesuch der Beklagten zu 2. gemäß § 42 Abs. 1 ZPO erweisen sich als unbegründet. Denn ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters und damit die Besorgnis seiner Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO ist nicht gerechtfertigt.

Ein Grund für ein derartiges Misstrauen liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Nicht erforderlich ist, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben. Denn die Vorschriften über eine Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (BGH NJW-RR 2014, 1469 f Tz. 5 m.w.Nachw.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, lässt sich ein Ablehnungsgrund hier nicht feststellen.

1. Ein unmittelbares Eigeninteresse des Richters am Ausgang des hiesigen Prozesses ist nicht erkennbar; namentlich kann das Halten eines Fahrzeugs eines bestimmten Herstellers nicht als engere geschäftliche Beziehung zu diesem angesehen werden. Es fehlt aber auch an einem mittelbaren Interesse.

Dass der Richter mit den Prozessparteien in irgendeiner Weise, n...

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