Leitsatz (amtlich)

1. Die Kommunen in den neuen deutschen Bundesländern sind durch die Kommunalverfassung der DDR vom 17.5.1990 neu gegründet worden. Sie sind mit den Kommunen, die in der DDR bis zum „Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht” vom 18.1.1957 als Gebietskörperschaften bestanden haben, nicht identisch.

2. Die neu gegründete Kommunen sind weder Gesamtrechtsnachfolger des ehemaligen Rats der Gemeinde, der Stadt oder des Kreises in ihrem Gebiet noch der bis 1957 dort existenten Gebietskörperschaft.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen 5 O 697/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.05.2004; Aktenzeichen III ZR 248/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Dresden vom 3.12.2002 – Az.: 5 O 697/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 4.500 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, schriftliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Sparkasse oder Bank zu erbringen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Dresden vom 3.12.2002 – Az.: 5 O 697/02 – Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin trägt in der Berufungsinstanz ergänzend vor:

Soweit das LG Dresden einen Auskunftsanspruch der Beklagten mit der Begründung, dass die Beklagte nicht Schuldnerin von Verbindlichkeiten der Stadt D. vor 1990 sei, und es damit an der Passivlegitimation fehle, verneint habe, sei dies falsch. Insbesondere gelte dies für die Annahme, dass die Stadt D. spätestens seit 1957 beseitigt gewesen sei und rechtlich nicht mehr bestanden hätte.

Weder durch das „Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR” vom 23.7.1952 noch durch das „Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht” vom 18.1.1957 seien die Städte und Gemeinden in der DDR beseitigt worden. Diese Vorschriften hätten auch nicht zu einem Wegfall der Rechtsfähigkeit und zu einer Einbuße der Selbstständigkeit als Gebietskörperschaften geführt. Durch die Vorschriften sei vielmehr nur in die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden eingegriffen worden. Selbstverwaltung und Rechtsfähigkeit seien aber unterschiedliche Begriffe, die nicht verwechselt werden dürften und deren Gleichsetzung ausgeschlossen sei. Insbesondere dürften die „institutionelle Rechtssubjektsgarantie” als Bestandsschutz für die Rechtsfähigkeit der Gemeinden und die „objektive Rechtsinstitutsgarantie” als Zusicherung kommunaler Selbstverwaltung nicht gleichgesetzt werden, weil diese mit ihnen konkretisierten Rechtsgüter völlig verschieden seien und keine Abhängigkeitsbeziehung bestünde. Demgemäß setze Rechtsfähigkeit nicht voraus, dass die Selbstverwaltung garantiert oder zumindest möglich sei. Die Rechtsfähigkeit von Gebietskörperschaften sei völlig unabhängig von der Selbstverwaltungskompetenz. Im Übrigen sei die Selbstverwaltung der Kommunen in der DDR auch nicht restlos aufgehoben gewesen.

Die Annahme, dass es in der DDR seit 1957 keine rechtsfähigen Städte mehr gegeben habe, sei auch mit der Verfassung der DDR unvereinbar. Eine Verankerung der Städte und Gemeinden in der Verfassung der DDR habe von Anfang an bestanden (Art. 139 Verfassung 1949). Auch in Art. 41 Verfassung 1968 und 1974 seien die Städte und Gemeinden als „verantwortliche Gemeinschaften” bezeichnet worden. Ihnen sei die Verpflichtung auferlegt worden, „die notwendigen Bedingungen für eine ständige bessere Befriedigung der materiellen, sozialen, kulturellen und sonstigen gemeinsamen Bedürfnisse der Bürger” zu gestalten. Lediglich die Selbstverwaltungsgarantie der Städte und Gemeinden sei ab 1968 entfallen.

Das LG Dresden könne sich für seine Auffassung auch nicht auf die von ihm zitierten Meinungen in DDR-Publikationen berufen, da diese nicht von den gesetzlichen Regelungen ausgingen. Schon die Darstellungen der Gesetzesinhalte seien falsch und würden nicht von den Gesetzestexten gedeckt werden. Sie seien daher für die Erkenntnis, was der DDR-Gesetzgeber habe erreichen wollen, unbrauchbar.

Auch aus dem Urteil des BGH vom 4.11.1994, Az.: LwZR 12/93 (BGH v. 4.11.1994 – LwZR 12/93, BGHZ 127, 285 = MDR 1995, 324), ergebe sich nichts Gegenteiliges. Der BGH habe den genannten Gesetzen nur Auswirkungen für die „eigenverantwortliche kommunale Selbstverwaltung” zugeschrieben, die der „Staatsrechtslehre” der DDR fremd gewesen sei. Die Klageabweisung beruhe daher nicht auf der Annahme eines Wegfalls der Städte und Gemeinden als juristische Personen.

Auch die vom LG Dresden erwähnten Gesetze von 1990, mit denen die finanzielle...

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