Leitsatz (amtlich)

1. Das Erfordernis einer gesonderten Mitteilung über die Folgen einer Anzeigeverletzung ist bei einer Belehrung auf dem Antragsformular nur gewahrt, wenn sie in unmittelbarer Nähe zu den Gesundheitsfragen erfolgt und drucktechnisch so hervorgehoben wird, dass sie ein durchschnittlich aufmerksamer Versicherungsnehmer schlechterdings nicht übersehen kann.

2. Die Belehrung über ein Vertragsanpassungsrecht des Versicherers nach § 19 Abs. 5 VVG ist unwirksam, wenn sie keinen Hinweis darauf enthält, dass eine Vertragsanpassung nicht nur zu einem rückwirkenden Beitragszuschlag, sondern auch zu einem rückwirkenden Risikoausschluss führen kann.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 14.09.2016; Aktenzeichen 8 O 979/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Dresden vom 14.9.2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die bei der Beklagten bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung der Klägerin Nr. x-xx. xxx. xxx. x unverändert fortbesteht und durch Anfechtung/Rücktritt/Vertragsanpassung der Beklagten vom 17.9.2014 nicht beendet oder verändert wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.358,86 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 11.4.2015 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die bis 2014 als Flugbegleiterin tätige Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre seit dem 1.3.2010 bei der Beklagten gehaltene Berufsunfähigkeitsversicherung fortbesteht und nicht durch Anfechtung, Rücktritt oder Vertragsanpassung beendet wurde. Einen Antrag auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsversicherung vom 30.4.2014 lehnte die Beklagte unter Rücktritt vom und Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen ab. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Dresden vom 14.09.2016 Bezug genommen.

Das LG hat die Klage mit Urteil vom 14.09.2016 abgewiesen. Es hat angenommen, dass die Klägerin die Beklagte bei Abschluss des Versicherungsvertrages arglistig getäuscht hat. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die die Auffassung vertritt, die von ihr nicht angegebenen Krankheiten erlaubten es der Beklagten nicht, sich von dem eingegangenen Vertrag zu lösen. Die nicht angegebene Lumbalgie habe zum Antragszeitpunkt bereits viereinhalb Jahre zurückgelegen und sei ihr seinerzeit nicht mehr erinnerlich gewesen, seither seien keine Kreuzschmerzen mehr aufgetreten. Die Verschreibung eines Allergiker-Notfallsets sei schon keine ärztliche Behandlung, die hätte offengelegt werden müssen. Dass Schulter-Nackensyndrom sei nur eine geringfügige und vorübergehende Verspannung gewesen, die darauf beruht habe, dass die Klägerin ihre im Jahr 2007 und 2008 geborenen Kinder herumgetragen habe. Das Attest des behandelnden Arztes belege, dass es sich hier um eine vorübergehende Erscheinung gehandelt habe. Dies hätte das LG berücksichtigen und ggf. den behandelnden Arzt als Zeugen hören müssen. Eine Ablehnung des Versicherungsschutzes wäre mit Rücksicht auf die Ursache der Verspannungen nicht in Betracht gekommen. Schließlich handele es sich bei der angegebenen Brustfellentzündung um eine schwerwiegendere Erkrankung als bei den nicht angegebenen Verspannungen. Auf eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung komme es schon nicht an, weil die Belehrung nicht den Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG genüge.

Sie beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG

1. festzustellen, dass die bei der Beklagten bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung der Klägerin Nr. x-xx. xxx. xxx. x unverändert fortbesteht und durch Anfechtung/Rücktritt/Vertragsanpassung der Beklagten vom 17.9.2014 nicht beendet oder verändert wurde;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.954,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 11.4.2015 zu zahlen;

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Zeugen Dr. B. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben des Zeugen vom 8.5.2017 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig und hat mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten vo...

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