Leitsatz (amtlich)

Wenn der Hersteller eines abgasmanipulierten Fahrzeuges im Rechtsstreit substantiiert darlegt, weshalb er aus umfangreichen Medienveröffentlichungen zum "Diesel-Skandal" die Behauptung ableitet, der Käufer eines von ihm hergestellten Diesel-Fahrzeugs habe bereits 2015 Kenntnis von seiner Betroffenheit erlangt, obliegt es dem Käufer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, konkreten (einzelfallbezogenen) Vortrag dazu zu halten, weshalb gerade ihm diese Berichterstattung verborgen geblieben ist oder aus welchen Umständen er angenommen habe, dass sein Dieselfahrzeug nicht betroffen sei.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Aktenzeichen 2 O 2119/19)

 

Tenor

I. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 06.05.2020, 2 O 2119/19, ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

II. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Ihm wird anheimgestellt zu prüfen, ob die Berufung - insbesondere aus Kostengründen - in gleicher Frist zurückgenommen wird.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert - dem Landgericht folgend - auf 36.359,70 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines abgasmanipulierten VW.

Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 18.10.2013 einen VW ... mit einem EA-189-Motor als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 55.938,00 EUR.

Der Kläger hat erstinstanzlich von der Beklagten Schadensersatz Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung verlangt, da die Beklagte ihn über eine manipulierte Software des Fahrzeugs getäuscht habe. Die Beklagte hat u.a. Verjährung eingewandt. Der Kläger habe bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis davon erlangt, dass ein Fahrzeug von dem durch den sogenannten "Dieselskandal" betroffenen Autos gehöre.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein etwaiger Anspruch des Klägers sei verjährt, da die Beklagte die vielfältige Bekanntmachung des Abgasskandals in den Medien ab dem 09.09.2015 nachgewiesen habe und die erst im Jahr 2019 eingegangene Klage daher nicht mehr geeignet gewesen sei, die Verjährung zu unterbrechen. Im Übrigen habe der Kläger auch keinen Schaden erlitten und es lägen die Voraussetzungen für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht vor.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, in der er neu vorträgt, dass auch ein später durchgeführtes Softwareupdate an dem Fahrzeug eine Form des Betruges darstelle. Im Übrigen habe der Kläger bereits durch den Abschluss des Vertrages einen Schaden erlitten. Der Anspruch des Klägers sei auch nicht verjährt, da die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachkomme, indem sie nur vortrage, dass in Anbetracht des durchschnittlichen Medienkonsums in Deutschland der Kläger von der Betroffenheit gewusst haben müsse. Im Übrigen sei die Rechtslage im Jahr 2015 unsicher und zweifelhaft gewesen. Schließlich sei der Kläger auch nicht grob fahrlässig ohne Kenntnis gewesen, da nicht jeder habe erkennen können, ob sein Fahrzeug unmittelbar von dem Dieselskandal betroffen gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 06.05.2020 (Az.: 2 O 2119/19) aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke Volkswagen, Typ ..., Fahrzeug-Identifikationsnummer: ..., an ihn einen Betrag in Höhe von 55.938,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs gegen Zahlung eine in das Ermessens des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs durch ihn, zu erstatten,

3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der im Klageantrag zu 1) [gemeint: zu 2)] genannten Zug um Zug-Leistungen im Annahmeverzug befinde und

4. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 2.994,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei und macht weiterhin die Einrede der Verjährung geltend.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, die erstinstanzliche Entscheidung sowie das Protokoll der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Berufung ist (gerade noch) zulässig.

Das Landgericht hat seine Entscheidung auf selbstständig zu tragende Gesichtspunkte gestützt, nämlich zum einen, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei und zum anderen, dass ein etwaiger Anspruch mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt sei. In einem solchen Fall muss eine Berufungsbegründungsschrift, um den Anforderungen des § 520 Abs. 2 ZPO zu genüg...

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