Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Wirksame Ersatzzustellung einer Ladung in der Wohnung trotz längerfristiger Inhaftierung des Adressaten wegen Ersatzfreiheitsstrafe.

  • 2.

    Zu Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages.

 

Verfahrensgang

LG Görlitz (Entscheidung vom 05.10.2004; Aktenzeichen 5 Ns 954 Js 25186/02)

 

Tenor

  • 1.

    Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 05. Oktober 2004 wird als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Landgericht hatte am 18. Mai 2004 die Berufung des wegen gemeinschaftlichen Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilten Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil er in der Berufungshauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben war. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag des Angeklagten, ihn gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung in den vorigen Stand wieder einzusetzen, als unbegründet zurückgewiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1.

Die am 12. Februar 2004 erfolgte Ersatzzustellung der Terminsladung zur Berufungshauptverhandlung war wirksam (§ 37 StPO, § 182 ZPO). Der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 18. Mai 2004 war daher nicht entbehrlich.

a)

Der Wirksamkeit der Zustellung steht nicht entgegen, dass sich der Angeklagte in der Zeit vom 11. Februar 2004 bis zum 10. August 2004 in anderen Sachen zunächst in der Justizvollzugsanstalt Bautzen und sodann in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt in Haft befunden hat. Zwar setzt die Ersatzzustellung voraus, dass der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift tatsächlich wohnt (vgl. BGH NJW 1978, 1858; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 37 Rdnr. 8; Zöllner ZPO 21. Aufl. § 182 Rdnr. 1). Hierfür kommt es auf das tatsächliche Wohnen an, nämlich darauf, ob der Zustellungsempfänger hauptsächlich in den Räumen lebt und insbesondere, ob er dort schläft (BGH LM BGB § 328 Nr. 15). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die soweit ersichtlich in der obergerichtlichen Rechtsprechung unbestritten ist, verliert eine (frühere) Wohnung bei Abwesenheit des Zustellungsempfängers dann ihre Eigenschaft als dessen Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften, wenn sich während seiner Abwesenheit der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert. Dies hat der Bundesgerichtshof unter anderem für den Fall angenommen, dass sich der Zustellungsempfänger in einer zweimonatigen Strafhaft befindet, sofern er während seiner Inhaftierung keine fortdauernde persönliche Beziehung zu seiner Wohnung aufrechterhalten hat, wie sie zum Beispiel noch bestehen könnte, wenn Angehörige des Zustellungsempfängers dort noch wohnen würden (BGH NJW 1978, 1858).

b)

Hieran gemessen hatten die vom Angeklagten bis zu seiner Inhaftierung ständig genutzten Räume durch die Festnahme ihre Eigenschaft als "Wohnung" im Sinne der Zustellungsvorschriften nicht verloren.

Der Angeklagte hatte von vornherein die Absicht, nach Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafen sowie der vom Amtsgericht Frankfurt am Main angeordneten Untersuchungshaft wieder in seine Wohnung, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau D und seiner dreijährigen Tochter C inne hatte, zurückzukehren.

Hinzu kommt, dass bei den hier vom Angeklagten verbüßten Ersatzfreiheitsstrafen und der anschließenden Untersuchungshaft die gesamte Dauer des Zwangsaufenthalts in der Justizvollzugsanstalt nicht von vornherein berechenbar war (so auch für den Fall der Untersuchungshaft OLG Hamm NStZ-RR 2003, 189 m.w.N.). Zum einen bestand für den Angeklagten jederzeit die Möglichkeit, die Ersatzfreiheitsstrafen durch Zahlung der zugrundeliegenden Geldstrafen abzuwenden, zum anderen unterlag die Untersuchungshaft der ständigen Haftkontrolle des Ermittlungsrichters, was auch die Aufhebung des Haftbefehls am 10. August 2004 belegt.

2.

Im Ergebnis zu Recht hat die Strafkammer dem Angeklagten auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.

a)

Zwar dürfen bei Anwendung und Auslegung der Wiedereinsetzungsvorschriften die Anforderungen zur Erlangung der Wiedereinsetzung nicht überspannt werden. Denn das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient unmittelbar der Gewährleistung des verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzes, so dass der Zugang zum Gericht nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden darf (vgl. BVerfGE 41, 332, 334; BVerfG Beschluss vom 06. Oktober 1992 - 2 BvR 805/91 -). Daraus folgt, dass derjenige, der eine ständige Wohnung hat und diese nur vorübergehend nicht benutzt, für die Zeit seiner Abwesenheit keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen zu treffen braucht. Vielmehr soll er grundsätzlich damit rechnen können, dass er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten wird.

b)

Dies gilt allerdings nicht, wenn ihm, wie hier dem Angeklagten, ein anderes Verschulden zur Last geleg...

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