Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem Sinn und Zweck der Kfz-Versicherung sind nur unmittelbar vom Fahrzeug ausgehende Gefahren abgedeckt. Eine solche Gefahr stellt aber die Explosion der Batterie des versicherten Fahrzeugs beim Startvorgang dar, auch wenn dieser mit einer Starthilfe durch ein anderes Fahrzeug unterstützt wird.

2. Weder die kurzzeitige Außerbetriebssetzung noch die Veräußerung des Fahrzeugs lassen eine Ruhensversicherung als Bestandteil der Kfz-Haftpflicht entfallen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 611/21)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 27.5.2021 aufgehoben und dem Antragsteller ratenlose Prozesskostenhilfe für folgenden Klageantrag bewilligt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.615,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit 11.3.2020 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Ansprüche nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit 25.1.2019 zu ersetzen, die dem Kläger aktuell zustehen und zukünftig zustehen werden, im Hinblick auf das Unfallereignis vom 25.1.2019, welches er auf dem Grundstück ... xx, 00000 ... erlitten hat, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

II. Im Umfang der Bewilligung wird dem Antragsteller Rechtsanwältin Annett Lindemann, Grimma, beigeordnet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin als Haftpflichtversicherin des Herrn J ... S ... für ein Schadensereignis vom 25.1.2019 in Anspruch. Er behauptet, zusammen mit seinem Bekannten R ... H ... den vom Versicherungsnehmer zum Verkauf angebotenen LKW ..., Fahrzeug-Identifikationsnummer ... auf dem Grundstück ... xx, 00000 ... besichtigt zu haben. Da sich das Fahrzeug nicht habe starten lassen, sei es über ein Starthilfekabel mit einem anderen LKW verbunden worden. Beim Versuch, nunmehr das Fahrzeug anzulassen, sei die Batterie explodiert und habe ihn schwer im Gesicht verletzt. Er macht Verdienstausfall, Fahrtkosten und die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren geltend und nimmt die Antragsgegnerin zusätzlich auf Feststellung des Ersatzes von Zukunftsschäden in Anspruch. Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Starthilfevorgang sei unter den gegebenen Umständen eine besonders gefährliche Situation gewesen, in die der Antragsteller sich nicht hätte begeben dürfen. Das Fahrzeug hätte vielmehr in eine Werkstatt verbracht und anschließend wieder zum Verkehr zugelassen werden müssen. Der sofortigen Beschwerde hat es nicht abgeholfen.

II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde vom 30.6.2021 gegen den der Prozessbevollmächtigten am 7.6.2021 zugestellten Beschluss führt zu dessen Abänderung und zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des bedürftigen Antragstellers hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.

Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens sind die Erfolgsaussichten anhand des vorgetragenen Sachverhaltes und der angebotenen Beweise lediglich im Wege einer summarischen Prüfung zu beurteilen, die sich sowohl auf die rechtliche als auch auf die tatsächliche Seite, d.h. die Frage der Beweisbarkeit, erstreckt. Dabei ist - was die tatsächliche Ebene betrifft - auch eine Beweisantizipation nicht generell unzulässig, so dass Prozesskostenhilfe verweigert werden kann, wenn rechtlich erheblicher Vortrag erkennbar nicht zu beweisen ist (BGH VersR 1988, 174; OLG Stuttgart, VersR 2005, 524; Senat, Beschluss vom 07. März 2012 - 4 W 123/12 -, Rn. 4, juris Zöller-Philippi, ZPO, 33. Aufl., § 114 Rn. 26). Dies setzt jedoch voraus, dass die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt (Senat, Beschluss vom 02. Januar 2017 - 4 W 1155/16 -, Rn. 15, juris). Auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers kommt vorliegend ein Anspruch nach §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 StVG, 115 VVG, A.1.1, H.1 AKB wegen der Explosion der Batterie des im Eigentum des Herrn J ... S ... stehenden Fahrzeugs ... am 25.1.2019 in Betracht.

a) Die Beklagte ist für einen solchen Anspruch passivlegitimiert. Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Dritte seinen Anspruch auch direkt gegen die Haftpflichtversicherung geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt. Bei der Kfz-Haftpflichtversicherung setzt dies gem. A.1.1 AKB 2015 voraus, dass der streitgegenständliche Schaden beim Gebrauch des bei der Antragsgegnerin versicherten Fahrzeuges i.S.v. § 1 PflVG entstanden ist. Zwar geht der Begriff des Gebrauches des Fahrzeuges über den Betriebsbegriff des § 7 StVG hinaus und umfasst jeden Vorgang und jede ...

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