Leitsatz (amtlich)

Wird eines von zwei leiblichen minderjährigen Geschwistern adoptiert, erlischt nach § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB das wechselseitige Umgangsrecht gem. § 1685 Abs. 1 BGB. Ein Umgangsrecht des nicht adoptierten Geschwisters ergibt sich weder aus einer analogen Anwendung von § 1685 Abs. 2 BGB noch aus der möglichen Gefährdung des Wohls des nicht adoptierten Geschwisters gem. § 1666 Abs. 4 BGB. Davon unberührt bleibt die Prüfung, ob das Kindeswohl des adoptierten Geschwisters durch den ausbleibenden Umgang gefährdet wird (§ 1666 Abs. 1 BGB).

 

Verfahrensgang

AG Meißen (Beschluss vom 27.04.2011; Aktenzeichen 6 F 288/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerden des Betroffenen zu 1. sowie der weiteren Beteiligten zu 2. und 3. gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Meißen vom 27.4.2011 werden zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist das Umgangsrecht des leiblichen Bruders mit seiner Schwester, nachdem diese adoptiert wurde.

Der am ... geborene J. und die am ... geborene R. sind die leiblichen Kinder der weiteren Beteiligten zu 1) (im Folgenden: leibliche Mutter). Nach ihrer Geburt wuchs R. zunächst ganz überwiegend in einer Pflegefamilie auf. Im April 2005 konnte R. wieder in den Haushalt der Mutter wechseln, wo auch J. lebte. Im Mai 2006 wurden die Kinder durch das Jugendamt in Obhut genommen. Nach einem Aufenthalt in einem Kinderheim lebten die Geschwister in einer therapeutischen Wohngruppe. Am 14.6.2006 wurde der Mutter das Sorgerecht für J. und R. teilweise entzogen und die Bereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und Antragsrecht gem. SGB VIII dem Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Mit notarieller Urkunde vom 27.8.2008 willigte die Mutter in die Adoption R. ein. Seit dem 1.12.2008 lebt R. im Haushalt der weiteren Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Adoptiveltern). Ein Umgang zwischen den Geschwistern fand seitdem ebenso wenig statt wie telefonischer, brieflicher oder sonstiger Kontakt. In der Folgezeit entstanden Meinungsverschiedenheiten zwischen der leiblichen Mutter, dem damaligen Ergänzungspfleger R. sowie Mitarbeitern des Jugendamtes der Landeshauptstadt Dresden einerseits und den Adoptiveltern andererseits, ob der Umgang und Kontakt der Geschwister für diese kindeswohldienlich seien und welche Bedeutung Absprachen hätten, die die leibliche Mutter und die Adoptiveltern zu Beginn des Adoptionsverfahrens hierzu getroffen hatten. Im Februar 2010 wurde auf Antrag des damaligen Ergänzungspflegers R. das vorliegende Verfahren zur Regelung des Umgangs der Geschwister bei dem AG - Familiengericht - Dresden eingeleitet, in dessen Bezirk J. seinen Aufenthalt hat. Gleichzeitig bemühte sich die Mutter gegenüber dem AG Meißen, in dessen Bezirk die Adoptiveltern mit R. leben und bei dem das Adoptionsverfahren geführt wurde, darum, ihre Einwilligung zur Adoption rückgängig zu machen.

Mit Beschluss des AG Meißen vom 30.8.2010 wurde R. als gemeinschaftliches eheliches Kind der Adoptiveltern angenommen. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Am 17.3.2011 wurde das vorliegende Verfahren vom AG - Familiengericht - Dresden zuständigkeitshalber an das AG - Familiengericht - Meißen abgegeben. Dieses wies mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.4.2011 die Anträge J. als unbegründet zurück. Ein Umgangsrecht bestehe nach der unanfechtbaren Adoption weder gem. § 1685 Abs. 1 noch gem. § 1685 Abs. 2 BGB.

Hiergegen wendet sich die leibliche Mutter mit ihrer Beschwerde. Die Adoptiveltern hätten getroffene Vereinbarungen gemäß einer halboffenen Adoption nicht eingehalten. Sie hätten jeglichen Kontakt der Kinder unterbunden und im Umgangsverfahren nicht mitgewirkt. R. habe große gesundheitliche Probleme. Der Kontakt beider Kinder stehe einer Eingliederung in die Adoptivfamilie nicht entgegen.

Auch J.'Verfahrensbeistand hebt mit seiner Beschwerde hervor, der Mutter sei schon seit Beginn des Adoptionsverfahrens der fortbestehende Kontakt der Kinder wichtig gewesen. Dies habe auch die Mitarbeiterin der Adoptionsvermittlungsstelle beim Jugendamt der Landeshauptstadt Dresden bestätigt. J. habe auf Grund seiner Entwicklung eine besonders enge Beziehung zu seiner Schwester entwickelt. R. sei nach wie vor im Bewusstsein ihres Bruders präsent. Er wünsche sich wechselseitige Besuche.

Die Adoptiveltern sind dem entgegengetreten. Das AG Meißen habe mit dem Adoptionsbeschluss alle Gesichtspunkte berücksichtigt. Ein Umgangsrecht bestehe danach nicht mehr. R. gehe es gut. Umgang mit ihrem Bruder wünsche sie nicht. Es sei wichtig, dass sie bei ihnen als Adoptiveltern ungestört aufwachsen könne. R. sei in der Vergangenheit sexuell missbraucht worden, auch von ihrem Bruder. Wenn R. eines Tages Kontakt mit J. wünsche, nähmen sie mit ihm Kontakt auf.

Auf den angefochtenen Beschluss sowie die gewechs...

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