Leitsatz (amtlich)
1.
Als Rechtsgrundlage für die Rückverlegung eines Strafgefangenen vom offenen in den geschlossenen Vollzug ist allein § 10 ABs. 2 Satz 2 StVollzG (nicht: § 14 Abs. 2 StVollzG) maßgeblich.
2.
Ihrer Entscheidung über die (Un)geeignetheit des Gefangenen für den offenen Strafvollzug hat die Vollzugsanstalt einen möglichst vollständig ermittelten Sachverhalt zugrundezulegen, sofern sie ihre Entscheidung auf ein neu anhängiges Ermittlungsverfahren gegen den Gefangenen stützen will. Sie hat dabei zumindest die Wahrscheinlichkeit einer Anklageerhebung und die voraussichtlich noch bevorstehende Dauer des Ermittlungsverfahrens zu klären.
3.
Bei Ermittlungsverfahren wegen Vorwürfen, die allein auf zivilrechtliche Streitigkeiten zurückgehen (hier: Betrugsanzeige des Käufers bei gescheitertem Ebay-Kaufvertrag), ist bei der Rückverlegung größte Zurückhaltung geboten. OLG Dresden, 2. Strafsenat, Beschluss vom 05.04.2005, Az. 2 Ws 95/05
Verfahrensgang
LG Leipzig (Entscheidung vom 11.01.2005; Aktenzeichen II StVK 253/04) |
Tenor
1.
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig mit dem Sitz in Döbeln vom 11. Januar 2005 und der Bescheid der Justizvollzugsanstalt vom 26. November 2004 - soweit er die Rückverlegung des Antragstellers in den geschlossenen Vollzug betrifft - aufgehoben.
2.
Der Leiter der Justizvollzugsanstalt hat über die Verlegung des Antragstellers in den offenen Vollzug unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Die Sache wird daher an die JVA zurückverwiesen.
3.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
4.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Bescheid vom 26. November 2004 hat die Justizvollzugsanstalt dem Beschwerdeführer, einem Strafgefangenen, zuvor gewährte Vollzugslockerungen und Urlaub widerrufen und seine Zurückverlegung vom offenen in den geschlossenen Vollzug angeordnet. Die Justizvollzugsanstalt hat dies mit zwei gegen den Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft Grimma anhängigen Ermittlungsverfahren wegen Betruges in Form von Internet-Verkäufen begründet. Sie hat hierzu im Einzelnen Folgendes ausgeführt:
"Der Gefangene hat zwar seit September 2003 Ausgänge und Urlaub absolviert, die bislang beanstandungsfrei verliefen. Zum 09. Juli 2004 wurde der Gefangene von der Justizvollzugsanstalt Wi in die JVA Wa verlegt. Seit dem 01. Oktober 2004 ist der Gefangene auch zum Freigang zugelassen.
Es besteht der Verdacht, dass der Gefangene während der Lockerungen des Vollzuges und des Freiganges im genannten Zeitraum, die ihm nach dem Ermittlungsverfahren vorgeworfenen Straftaten begangen hat.
Der Gefangene ist mehrfach und einschlägig vorbestraft.
Er wurde u. a. wegen Betruges und Unterschlagung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Auch war er bewährungsbrüchig. Es ist zu befürchten, dass der Gefangene B die Gewährung von Ausgängen, Urlaub und Freigang zur Begehung von Straftaten missbrauchen werde."
Hiergegen richtet sich der Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung vom 10. Dezember 2004, mit dem er sich gegen seine Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug wendet.
Mit Beschluss vom 10. Januar 2005 hat die Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig mit dem Sitz in Döbeln den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. November 2004 sei "gemäß den §§ 14 Abs. 2 Ziff. 1), 11 Abs. 2 StVollzG gerechtfertigt". Der Widerruf von Lockerungen sei unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG möglich, wobei sich die gerichtliche Überprüfung auf die Vertretbarkeit der behördlichen Entscheidung beschränke, welche hier "jedenfalls rechtlich zu vertreten" sei.
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Gefangenen vom 07. Februar 2005. Zur Begründung führt er unter anderem aus, Entscheidungsgrundlage für die Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug sei § 10 StVollzG und nicht - wie von der Strafvollstreckungskammer angenommen - § 14 StVollzG.
Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hat hierzu Stellung genommen; es hält die Rechtsbeschwerde für begründet.
II.
1.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG sind gegeben. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten, da sich der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer allein auf die Widerrufsgründe für Vollzugslockerungen gemäß § 14 Abs. 2 StVollzG stützt und insoweit die vorrangig gebotene Anwendung des § 10 Abs. 2 StVollzG unterlässt.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a)
Die angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer beruht auf einer Verletzung des Gesetzes, da die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 StVollzG