Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertaddition bei Klageänderung

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 04 O 3450/13)

 

Tenor

Der Streitwert wird bis zum 31.03.2017 auf bis zu 125.000 EUR, danach auf bis zu 80.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Streitig ist bei dem Streitwert erster Instanz die Addition des Wertes verschiedener Streitgegenstände, die im Wege der Antragsänderung nacheinander geltend gemacht wurden.

Ursprünglich war die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung der gekauften Eigentumswohnung (Miteigentumsanteil) beantragt, beziffert mit 119.000,00 EUR. Nach Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung wurde Schadensersatz verlangt, beziffert mit 73.594,13 EUR. Dieser Schriftsatz wurde dem Beklagten am 31.3.2016 zugestellt (GA 137 f.). Begründet wurde der Anspruch jeweils mit der Sittenwidrigkeit des zugrundeliegenden Kaufvertrages.

Das LG hat den Streitwert mit Beschluss vom 28.10.2016, enthalten im Endurteil, auf 119.000,00 EUR festgesetzt. Der Beschluss wurde mit dem Endurteil dem Beklagtenvertreter am 7.11.2016 zugestellt (GA 182 f.). Mit seinem am 27.12. 2016 erhobenen Antrag auf Neufestsetzung (GA 187), den er später als Beschwerde bezeichnet, beantragt er die Festsetzung auf den addierten Wert beider Anträge.

Das LG hat dem nicht abgeholfen. Es stützt sich darauf, dass kein neuer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt worden ist.

II. Die Beschwerde ist statthaft (§ 68 GVG) und auch im Übrigen zulässig, da form- und fristgerecht eingelegt (§§ 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG). Seit der Zustellung des Urteils mit dem Streitwertbeschluss sind nicht mehr als 6 Monate vergangen. Auch der Beschwerdewert von 200 EUR (§ 68 GKG) wird bei der beantragten Änderung weit überschritten.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Denn der ausgewechselte Streitgegenstand ist nicht mit dem vorher anhängigen zusammenzurechnen (§ 39 GKG). Er ist wirtschaftlich identisch (vgl. im Folgenden 1.) und zudem auswechselnd geltend gemacht (vgl. im Folgenden 2.). Die Festsetzung des Streitwertes war entsprechend zu berichtigen (vgl. im Folgenden 3.).

1. Die Addition der Einzelwerte setzt voraus, dass die mehreren Streitgegenstände in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug geltend gemacht und nicht wirtschaftlich identisch sind (BDPZ/Dörndorfer GKG § 39 Rn. 1-3, beck-online). Eine solche wirtschaftliche Identität wird dann angenommen, wenn ein Anspruch aus dem anderen folgt oder auf dasselbe Interesse ausgerichtet ist, so dass der Kläger mit ihnen letztlich jeweils nur dasselbe Ziel verfolgt (vgl. BeckOK ZPO/Wendtland ZPO § 5 Rn. 3-4, beck-online; Zöller, ZPO, 31. Aufl. § 5 Rn. 8), dies gilt insbesondere für den Fall einer Antragsänderung ohne Änderung des Klagegrundes (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG; OLG Hamm, Beschluss vom 25.1.2007 - 21 W 50/06 -, juris; Zöller, ZPO, a.a.O., § 5 Rn. 3).

Dies ist hier der Fall. Denn der Übergang von einem Rückabwicklungs- auf einen Schadensersatzanspruch ist wirtschaftlich identisch.

Dies sah auch der Kläger so. Mit dem Antragswechsel hat er als usprünglichen Sinn und Zweck des Klageverfahrens die Rückabwicklung des Kaufvertrages, jetzt den Schadensersatz benannt und sich dabei weiter auf Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages berufen (Schriftsatz vom 17.3.2016, GA 137 f.).

Diese Wertung wird auch davon getragen, dass eine Klageänderung nicht stattgefunden hat. Denn der Kläger hat das Interesse verlangt (§ 264 Nr. 3 ZPO; in diesem Fall auch gegen eine Addition: OLG Hamm, Beschluss vom 25.1.2007 - 21 W 50/06 -, juris). Für diese Konstellation ist lediglich erforderlich, dass der neue Gegenstand der Klage nach dem Klägervorbringen aufgrund einer späteren Veränderung als Surrogat oder Schadensersatz an die Stelle des ursprünglich geforderten Gegenstandes getreten ist (BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 264 Rn. 7-8.1, beck-online). Dies ist hier mit dem Übergang von der Rückabwicklung des Kaufvertrages auf Schadensersatz geschehen.

2. Unabhängig davon setzt die Addition der Einzelwerte (§ 39 Abs. 1 GKG) weiter voraus, dass die Anträge gleichzeitig und nebeneinander geltend gemacht werden (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. § 39 GKG, Rn. 3; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.8.2010 - I-24 W 9/10 -, juris, Rn. 22 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.12.2011 - 4 W 74/11 -, juris, Rn. 12). Denn durch die Klageänderung sollen keine neuen Kosten ausgelöst werden. Dafür sprechen Wortlaut und Entstehungsgeschichte.

Die Entstehungsgeschichte zeigt, dass gebührenrechtlich nichts anderes als für den Zuständigkeitsstreitwert gelten sollte. Für diesen ist anerkannt, dass eine Addition des Wertes nur bei einem Nebeneinander der prozessualen Ansprüche stattfindet (§ 5 ZPO, vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage § 5 Rn. 3 m. w. Nw.). Diese Grundregel sollte gebührenrechtlich in einer für alle Gerichtsbarkeiten gleichermaßen geltenden Weise verankert werden (vgl. Gesetzesentwurf, Einzelbegründung zu § 39 GKG, BT-Drs- 15/1971, S. 154; so Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom...

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