Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Abänderung einer Jugendamtsurkunde nach § 239 FamFG durch den Unterhaltsberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berechtigung eines Abänderungsbegehrens, wenn der Unterhaltsberechtigte eine Titulierung seines Anspruchs in dynamischer Form verlangt hatte, der Verpflichtete den Titel jedoch in statischer Form hat errichten lassen.

 

Normenkette

FamFG § 239; BGB § 1612a

 

Verfahrensgang

AG Döbeln (Beschluss vom 23.11.2010; Aktenzeichen 1 F 0572/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 1.12.2010 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Döbeln vom 23.11.2010 - 1 F 572/10 - abgeändert.

Der Antragstellerin wird zur Wahrnehmung ihrer Rechte im ersten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt, bewilligt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten leben in Scheidung und streiten um den Unterhalt für die gemeinsame Tochter. Vorprozessual hatte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin den Antragsgegner aufgefordert, den streitigen Unterhalt in dynamisierter Form titulieren zu lassen. Der Antragsgegner ließ daraufhin eine Jugendamtsurkunde errichten, mit der Unterhalt in statischer Form (225 EUR monatlich ab 1.4.2010) tituliert wurde. Im vorliegenden Verfahren verlangt die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für einen Abänderungsantrag, mit dem 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts für ... ab 1.11.2010 geltend gemacht werden. Diese Verfahrenskostenhilfe hat das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss versagt, weil allein der Wunsch, statt eines statischen einen dynamischen Unterhaltstitel zu erhalten, ein Abänderungsbegehren nicht rechtfertigen könne. Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde erhoben, die das Familiengericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Insbesondere ist der erforderliche Wert der Beschwer erreicht. Dieser bemisst sich nach dem Titulierungsinteresse der Antragstellerin, und dieses wiederum ist nicht etwa, wie das Familiengericht meint, mit "Null" anzusetzen, weil die Antragstellerin bereits über einen Unterhaltstitel verfüge. Denn der Titel, auf den die Antragstellerin in Prozessstandschaft des unterhaltsberechtigten Kindes gem. § 1612a BGB einen Anspruch hat, nämlich ein Unterhaltstitel in dynamisierter Form, liegt bisher überhaupt nicht vor. Der vorhandene statische Titel ist, gemessen an dem anders ausgeübten gesetzlichen Wahlrecht des Unterhaltsberechtigten, nicht etwa wertmäßig gleich oder allenfalls ein "Minus", sondern etwas anderes, das zur Erfüllung des geltend machten Titulierungsinteresses ungeeignet ist. Die Beschwer der Antragstellerin bemisst sich daher nach dem ungeschmälerten Interesse an der Herbeiführung eines dynamisierten Unterhaltstitels, der so bisher nicht existiert.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Antragsvorbringen ist weder mutwillig, noch fehlt es ihm sonst an der hinreichenden Erfolgsaussicht.

§ 1612a BGB bestimmt ausdrücklich, dass es der Entscheidung des Unterhaltsberechtigten obliegt, ob der Unterhalt in statischer oder - bei sonst gegebenen Voraussetzungen - in dynamisierter Form tituliert werden soll. Wäre die Handhabung des Familiengerichts richtig, so würde sich diese eindeutige Rechtslage im Ergebnis in ihr Gegenteil verkehren, weil es dem Unterhaltsverpflichteten freistände, die Wahl einer dynamischen Titulierung durch den Berechtigten folgenlos zu unterlaufen. Die vom Familiengericht - für sich gesehen zutreffend - zitierte Kommentierung (Klinkhammer in: Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl. 2008, § 2 Rz. 246a) betrifft mithin nur den Fall, dass der Berechtigte sein Wahlrecht zugunsten eines statischen Titels bereits ausgeübt hatte und davon nunmehr abzurücken wünscht: Dies reicht als Rechtfertigung eines Abänderungsbegehrens nicht aus, solange sich die Verhältnisse, die dem vorhandenen Titel zugrunde liegen, nicht im Übrigen wesentlich geändert haben. Etwas anderes gilt indes, wenn der vom Unterhaltsverpflichteten errichtete Titel, wie hier, unter Missachtung des vom Berechtigten ausgeübten Wahlrechts entstanden ist: Dann ist ein Abänderungsantrag zulässig, weil sonst das Wahlrecht des Berechtigten gem. § 1612a BGB gegenstandslos würde (ebenso Born in MünchKomm/BGB, 5. Aufl. 2008, § 1612a Rz. 34).

3. Da die Antragstellerin nach dem vorgelegten Bescheid vom 11.10.2010 über Leistungen nach dem SGB II zu den voraussichtlichen Kosten ihrer Verfahrensführung aus eigenem Einkommen und Vermögen nichts beitragen kann, ist ihr daher ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Einer Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil Gerichtskosten angesichts des Erfolgs des Rechtsmittels nicht erhoben und außergerichtliche Kosten gem. § 127 Abs. 4 ZPO, der entsprechend im familiengerichtlichen Verfahren gilt, nicht erstattet werden. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2601197

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