Leitsatz (amtlich)

Schließen die Beteiligten über den Verfahrensgegenstand hinaus einen Vergleich auch über nicht anhängige Verfahrensgegenstände, so ist auf Antrag die für das Ausgangsverfahren bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf den Mehrvergleich zu erstrecken. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann aber aus der Staatskasse die Erstattung weder einer Verfahrensgebühr noch einer Terminsgebühr aus dem Mehrwert des Vergleichs verlangen.

 

Verfahrensgang

AG Weißwasser (Aktenzeichen 2 F 279/16)

 

Tenor

1. Die der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird auf die im Termin vom 31.01.2017 geschlossene Elternvereinbarung erstreckt.

2. Soweit der Erstreckungsantrag der Antragstellerin vom 31.01.2017 darüber hinausgeht, wird er zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die beiden gemeinsamen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach der Trennung der Eltern im wöchentlichen Wechsel jeweils bei Vater und Mutter oder überwiegend bei der Mutter haben sollten. Das Familiengericht hatte dem Vater mit dem angefochtenen Beschluss das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder mit dem Ziel zugesprochen, dass der Vater jedenfalls für den gemeinsamen Sohn das eine Zeitlang bereits vorher praktizierte paritätische Wechselmodell auch gegen den Widerstand der Mutter aufrechtzuerhalten und für die Tochter (die sich aktuell tatsächlich überwiegend bei der Mutter aufhält und Umgang mit dem Vater hat) gegebenenfalls zu einem ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt durchzusetzen in der Lage wäre. Im Senatstermin vom 31.01.2017 haben die Eltern eine Vereinbarung geschlossen, mit der - unter Wiederherstellung ihres gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts - der gegenwärtige Zustand für beide Kinder unter Konkretisierung ihrer Aufenthaltszeiten beim Vater (F. im wöchentlichen Wechsel, E. alle zwei Wochen von Freitagnachmittag bis montags, unter bestimmten Voraussetzungen bis Dienstagfrüh) im Wesentlichen festgeschrieben worden ist.

Der Antragstellerin war durch Senatsbeschluss vom 09.01.2017 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe (VKH) für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten gewährt worden. Vor Abschluss der Elternvereinbarung hat die Verfahrensbevollmächtigte im Termin vom 31.01.2017 beantragt, die bewilligte VKH auf den Abschluss der beabsichtigten Vereinbarung "und aller damit zusammenhängenden Gebühren" zu erstrecken.

II. Der Antrag ist begründet, soweit mit der Erstreckung der VKH ein Anspruch gegen die Staatskasse auf Übernahme der mit der Elternvereinbarung entstandenen anwaltlichen Einigungsgebühr geschaffen werden soll. Soweit mit der Fassung des Erstreckungsantrags bezweckt ist, darüber hinaus VKH für weitere auf den Inhalt der Einigung bezogene Anwaltsgebühren, insbesondere für eine separate Umgangsangelegenheit, zu erlangen, bleibt der Antrag ohne Erfolg.

1. Richtig ist, dass die Elternvereinbarung vom 31.01.2017 auch Elemente einer Umgangsregelung enthält. Geht man davon aus, dass Beschwerdegegenstand (nur) eine sorgerechtliche Regelung war, ist mithin ein Vergleich - auch - über einen nicht verfahrensgegenständlichen, aber in die Einigung dennoch einbezogenen Gegenstand zustande gekommen. Aus diesem in die Regelung einbezogenen Gegenstand steht dem Rechtsanwalt, der am Vergleich mitgewirkt hat, grundsätzlich nicht nur eine Einigungsgebühr, sondern auch eine Verfahrens- und Terminsgebühr zu (VV zum RVG, Nr. 3101 und 3104), obwohl insoweit weder ein Verfahren anhängig war noch ein Termin stattgefunden hat. Das heißt indes nicht, dass dem dabei vertretenen Beteiligten im gleichen Umfang ohne weiteres ein Anspruch auf VKH zustände, damit diese Gebühren gegenüber der Staatskasse abgerechnet werden können.

2. Dabei geht es im vorliegenden Fall nicht um die Frage, ob ein auf diese weiteren Gebühren zielendes VKH-Gesuch dieses Antragsziel hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat oder eine (für das spätere Vergütungsfestsetzungsverfahren bindende) vorhandene Entscheidung zu der beantragten VKH diese weiteren Gebührentatbestände in die Bewilligung einbezogen hat. Denn die damit regelmäßig verbundenen Auslegungsprobleme (etwa zur Reichweite einer gesetzlichen Erstreckung gewährter VKH nach Maßgabe von § 48 Abs. 3 RVG) versucht die hier gewählte Antragsformulierung gerade zu vermeiden. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat im Termin vom 31.01.2017 auch ausdrücklich bekundet, es gehe ihr vornehmlich um eine weitere Terminsgebühr für eine Umgangsangelegenheit. Gerade darauf besteht - gegen die Staatskasse auf VKH-Basis - jedoch kein Anspruch.

3. Denn für im Verfahren nicht anhängige Streitgegenstände kommt eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich nicht in Betracht. Insbesondere kann dafür, dass in einem gerichtlichen Termin eine Angelegenheit erörtert wird, die im verfahrensrechtlichen Sinne nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist, keine VKH gewährt werden (vgl. Oberlandesgericht Dresden, 23. Famil...

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