Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall nach dem Mittelwert aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es erscheint sachgerecht, die nach einem Verkehrsunfall als Normaltarif zu erstattenden Mietwagenkosten nach dem arithmetischen Mittelwert aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle zu schätzen.

2. Ein pauschaler prozentualer Aufschlag auf den so ermittelten Normaltarif ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn bei der Anmietung weder eine unfallbedingte Not- oder Eilsituation vorlag noch der Geschädigte nachgewiesen hat, dass er nicht über eine Kreditkarte oder sonst ausreichende finanzielle Mittel zur Vorfinanzierung der Anmietung verfügte.

3. Wenn im Rechtsstreit vorgelegte Vergleichsangebote anderer Vermieter mit der tatsächlichen Anmietsituation nicht vergleichbar sind, ist kein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der auf den konkreten Fall bezogenen Marktsituation einzuholen.

4. In Rechnung gestellte Zusatzkosten für Winterreifen sind im Winterhalbjahr erstattungsfähig.

5. Zu den weiteren Berechnungsparametern bei der Ermittlung des Normaltarifs (u.a.: Fahrzeugklasse, Abrechnungseinheit, weitere Nebenleistungen).

 

Normenkette

BGB § 249; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 28.01.2011; Aktenzeichen 4 O 290/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.1.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert.

Die Klage wird weiter abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin mehr als 2.809,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.12.2009 zu zahlen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 30 % und der Beklagten zu 70 % auferlegt.

Dieses Urteil und das Urteil des LG sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin betreibt eine gewerbliche Autovermietung in einer Kleinstadt im Umfeld von F. Sie macht aus abgetretenem Recht nicht regulierte (Rest-)Ansprüche von 11 Unfallgeschädigten geltend, die nach der Inanspruchnahme von Mietwagen von der Beklagten als Haftpflichtversicherer der jeweiligen Unfallgegner nicht erstattet worden sind. Die Klägerin hat geltend gemacht, die von ihr in Rechnung gestellten Mietwagenkosten entsprächen dem sog. Normaltarif, der sich nach ihrer Ansicht aus den Modus-Werten der Schwacke-Liste für das Jahr 2007 nebst Zuschlägen für Vollkaskoversicherung (zum Teil mit reduzierter Selbstbeteiligung), Winterbereifung, Bringen und Abholen sowie die Vereinbarung von zusätzlichen Fahrern ergebe. Sie hat gemeint, ersparte eigene Aufwendungen seien hinreichend dadurch berücksichtigt worden, dass jeweils Mietwagen aus einer um eine Stufe niedriger liegenden Fahrzeugklasse als der Unfallwagen angemietet worden seien. Da in allen Fällen die genaue Mietdauer zunächst nicht bekannt gewesen sei, sei der erstattungsfähige Mietwagenpreis durch Multiplikation der Ein-Tages-Preise der Schwacke-Liste mit der Zahl der Tage der tatsächlichen Anmietdauer zu ermitteln. Maßgebend sei der Postleitzahlenbezirk für den Sitz des von ihr betriebenen Mietwagenunternehmens. Die Klägerin hat im Übrigen behauptet, die Geschädigten hätten nicht über Kreditkarten verfügt und seien zudem dringend auf einen Mietwagen angewiesen gewesen. Deshalb sei hier zusätzlich in allen Fällen ein 20%iger Aufschlag für unfallbedingte Mehrleistungen auf den erstattungsfähigen Normaltarif gerechtfertigt. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin einen offenen Restanspruch von 7.169,14 EUR ermittelt, den sie nebst Rechtshängigkeitszinsen mit ihrer Klage geltend gemacht hat.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat bestritten, dass die von der Klägerin den Geschädigten in Rechnung gestellten Mietwagenkosten dem Normaltarif entsprächen. Denn dieser sei nach ihrer Auffassung unter Zugrundelegung des Fraunhofer Marktpreisspiegels für Mietwagen zu ermitteln. Insoweit könne hier der Preisspiegel aus dem Jahr 2009 herangezogen werden, weil die Preise des Jahres 2009 ohnehin höher gewesen seien als im Vorjahr 2008. Abzustellen sei dabei auf den dort ausgewiesenen Großraum F. Zusatzkosten für Sonder- bzw. Nebenleistungen seien nicht erstattungsfähig. Da die Unfallfahrzeuge teilweise älter als 10 Jahre alt gewesen seien, müsse in diesen Fällen bei der Eingruppierung für die Normalpreisermittlung eine um zwei Gruppen tiefere Fahrzeugklasse gewählt werden. Der Mietpreis für die Gesamtmietzeit sei, wenn diese länger als 7 Tage gedauert habe, nach dem Wochenpreis zu errechnen, sonst nach der 3-Tages-Pauschale. Die Schwacke-Liste sei zur Normalpreisermittlung nicht geeignet. Hierzu hat die Beklagte Sachverständigengutachten aus anderen Rechtsstreiten sowie für alle 11 Fälle nachträglich von ihr selbst recherchierte Internetangebote vorgelegt. Zu diesen Angeboten hat sie behauptet, di...

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