Leitsatz (amtlich)

1. Auch der Sozialversicherungsträger, auf den Ansprüche des Reisenden übergegangen sind, muss den Anspruch in der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB anmelden (Bestätigung von BGHZ 159, 350 ff.).

2. Die Anmeldung des Sozialversicherungsträgers ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Reisende selbst rechtzeitig seine eigenen reisevertraglichen Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld rechtzeitig beim Reiseveranstalter angemeldet hat (Fortführung von BGHZ 159, 350).

3. Ein Reiseveranstalter haftet nicht deliktisch, wenn er anlässlich einer mehrtägigen Busreise am letzten Tag der Reise, nachdem der Busfahrer mit den Reisenden die Nacht im Hotel verbracht hatte, diesen nicht dahin überprüft, ob er übermüdet ist, und der Bus später nach einer Fahrt von 4 ½ Stunden einschließlich einer 40-minütigen Pause auf Grund einer - im Streitfall behaupteten - Übermüdung des Busfahrers verunfallt.

 

Normenkette

BGB § 651g Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 12.09.2005; Aktenzeichen 20 O 57/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.06.2009; Aktenzeichen Xa ZR 99/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des LG Hannover vom 12.9.2005 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Eheleute T. buchten bei der Beklagten für die Zeit vom 18. März bis 2.4.2004 eine Reise nach Mexiko. Zum gebuchten Reiseumfang gehörte die sog. "Klassische Mexiko-Rundreise", die in der Zeit vom 19. bis 26.3.2004 stattfand. Am 24. oder 26.3.2004 verunglückte der Reisebus, in dem die Eheleute T. saßen. Diese wurden bei dem Unfallgeschehen schwer verletzt und in einem von der Beklagten organisierten Flug mit einem Sanitätsflugzeug nach Deutschland zurücktransportiert. Die Klägerin ist der Krankenversicherer der Eheleute T. und nimmt die Beklagte im Rechtsstreit aus gem. § 116 SGB X übergegangenem Recht auf Zahlung von Heilbehandlungskosten i.H.v. 136.649,67 EUR nebst Zinsen sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz sämtlicher weiterer Zukunftsschäden in Anspruch.

Das LG hat der Klage - mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruches - in vollem Umfang stattgegeben. Es hat gemeint, die Klägerin habe zwar die in § 651g Abs. 1 S. 1 BGB bestimmte einmonatige Ausschlussfrist versäumt. Im Streitfall sei jedoch die rechtzeitige Anmeldung des übergegangenen Anspruchs durch die Klägerin ausnahmsweise entbehrlich gewesen. Dabei könne dahin stehen, ob die Versicherten selbst ihre Ansprüche gegen die Beklagte rechtzeitig geltend gemacht hätten. Die Beklagte habe nämlich schon durch ihr Verhalten unmittelbar nach dem Unfall zum Ausdruck gebracht, dass sie jedenfalls materielle Schäden ersetzen wolle. Auch wenn sie dies nicht der Klägerin, sondern den schwer verletzten Reisenden mitgeteilt habe, ändere dies nichts an der Annahme eines grundsätzlichen Anerkenntnisses derartiger Ansprüche. So habe die Beklagte mit Schreiben vom 29.3.2004 den Reisepreis von sich aus um 100 % reduziert. Mit weiterem Schreiben vom 7.4.2004 habe sie die Reisenden ausdrücklich zur Anmeldung noch nicht ausgeglichener materieller Schäden aufgefordert. Dafür hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn die Beklagte davon ausgegangen sei, dass die Reise erheblich mängelbehaftet gewesen sei und sie hierfür einzustehen habe. Diese Einschätzung habe sich in der späteren Zahlung von Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden an die Eheleute T. manifestiert. Es habe für die Beklagte auf der Hand gelegen, dass der Krankenversicherungsträger seinerseits Ansprüche gegen sie geltend machen würde. Die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB trage im Übrigen dem Umstand Rechnung, dass der Reiseveranstalter in der Regel nach einem längeren Zeitraum Schwierigkeiten haben werde, die Berechtigung von Mängelrügen festzustellen. Weitere Nachteile könnten durch eine nicht rechtzeitige Durchsetzbarkeit von Regressansprüchen gegen Leistungsträger entstehen. Der Reiseveranstalter solle kurzfristig erfahren, welche Gewährleistungsansprüche auf ihn zukommen, damit er schnell die notwendigen Beweissicherungsmaßnahmen treffen könne. Entsprechende Feststellungen hätte die Beklagte hier jedoch nicht mehr zu treffen gehabt, hier sei der Sachverhalt bekannt und sie hätte bereits ihre Haftung eingeräumt gehabt.

Wegen des Sach und Streitstandes erster Instanz im Übrigen wird ergänzend auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen das Erkenntnis des LG wendet sich die Beklagte mit ihrer form und fristgerecht eingelegten Berufung.

Die Beklagte macht geltend, die einmonatige Ausschlussfr...

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