Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbotene Mitteilung von Gerichtsverhandlungen im Internet. Veröffentlichung eines Portraitgemäldes zu künstlerischen bzw. wirtschaftlichen Zwecken

 

Leitsatz (amtlich)

1. Polizeibeamte und Staatsanwälte stellen im Rahmen ihrer üblichen beruflichen Tätigkeit keine relativen Personen der Zeitgeschichte dar. Dies gilt auch im Zusammenhang mit Strafverfahren, wenn diese kein besonderes öffentliches Interesse begründen.

2. Die Veröffentlichung eines nicht verunstaltenden oder herabsetzenden Portraitgemäldes einer mit ihrer Abbildung nicht einverstandenen Person zu ausschließlich künstlerischen Zwecken dient einem höheren Interesse der Kunst im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG und geht dem davon betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person grundsätzlich vor. Eine gleichzeitig mit der Veröffentlichung beabsichtigte Verfolgung wirtschaftlicher Interessen steht dem nicht entgegen.

3. Täter einer verbotenen Mitteilung von Gerichtsverhandlungen nach § 353d Nr. 3 StGB kann auch der von einer Durchsuchung im Rahmen eines Strafverfahrens Beschuldigte sein, wenn er den Durchsuchungsbeschluss im Internet quasi wie eine Fotokopie veröffentlicht und dadurch die Unvoreingenommenheit von Zeugen oder Laienrichtern besonders nachhaltig in Frage gestellt werden kann.

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Entscheidung vom 16.02.2010; Aktenzeichen 4 Ns 406 Js 3653/08)

 

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das angefochtene Urteil mit den Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen verbotener Mitteilung von Gerichtsverhandlungen verurteilt worden ist, und im Gesamtrechtsfolgenausspruch aufgehoben. Seine Revision wird im Übrigen mit der Maßgabe verworfen, dass er der unbefugten Verbreitung eines Bildnisses in vier rechtlich zusammen treffenden Fällen schuldig ist.

II. Die Revision der Staatsanwaltschaft wird als unbegründet verworfen.

III. Der Angeklagte ist für die seit dem 14. Oktober 2008 erfolgte Beschlagnahme des Portraitgemäldes mit dem Titel "Staatsanwalt L." zu entschädigen.

IV. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bückeburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Rinteln - Strafrichter - hatte den Angeklagten mit Urteil vom 31. März 2009 wegen verbotener Mitteilung über Gerichtsverhandlungen verwarnt und eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen zu je 10 € vorbehalten. Vom Vorwurf zweier Verstöße gegen das Kunsturhebergesetz hatte es den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die sie hinsichtlich des erfolgten Schuldspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. Unter Verwerfung der Berufung im Übrigen hat die IV. kleine Strafkammer des Landgerichts Bückeburg das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und zur Klarstellung in der Form neu gefasst, dass der Angeklagte "der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen und eines Verstoßes gegen §§ 22, 33 des Kunsturhebergesetzes schuldig" ist. Die Kammer hat den Angeklagten zu einer Gesamtgeldstrafe von 25 Tagessätzen - Einzelstrafen:

10 und 20 Tagessätze - zu je 15 € unter Gewährung von Ratenzahlung verurteilt.

Gegen den bestehen gebliebenen Teilfreispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Der ebenfalls Revision führende Angeklagte wendet sich gegen den erfolgten Schuldspruch bezüglich des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz sowie den Rechtsfolgenausspruch im Übrigen.

1. Nach den getroffenen Feststellungen im angefochtenen Urteil ist der Angeklagte als freischaffender Künstler in R. tätig. Er verfügt über kein festes Einkommen, da er als Künstler und Kunsthändler von den Erlösen seiner freischaffenden Tätigkeit abhängig ist. Überwiegend handelt er mit Kunstwerken über das Internet.

a) Am 5. April 2008 fand anlässlich des Verdachts der Kunstfälschung eine Durchsuchung des von dem Angeklagten bewohnten Hauses in R. statt, an der die Polizeibeamten B., S., St. und W. sowie Staatsanwalt L. beteiligt waren. Die Durchsuchung erfolgte ohne richterlichen Beschluss aufgrund von Gefahr im Verzug. Dabei wurden mehrere Kunstwerke beschlagnahmt. Der Angeklagte teilte den Beamten mit, die Durchsuchung und die Beschlagnahme mit seiner Videokamera zu Beweiszwecken filmen zu wollen, um das Videomaterial gegebenenfalls seinem Verteidiger vorlegen zu können. Damit zeigten sich die Beamten einverstanden, wiesen den Angeklagten aber darauf hin, dass die Aufnahmen nicht veröffentlicht werden dürfen. Aus Verärgerung über die Art und Weise der Durchsuchung stellte der Angeklagte den ca. 30minütigen Film, der die an der Durchsuchung beteiligten Polizeibeamte zeigte, unter Beifügen schriftlicher Kommentare zum Vorgehen der Beamten, auf der Internetplattform "google" ein, wo er für die Allgemeinheit zugänglich war. Die vier Polizeibeamten haben form- und fristgerecht Strafantrag gestellt.

b) Da die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen un...

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