Entscheidungsstichwort (Thema)

Bereitschaft und Verpflichtung zur Teilnahme am Verbraucherschlichtungsverfahren; Pflicht zum Hinweis auf zuständige Schlichtungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Die "Bereiterklärung" des Unternehmers i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen führt nicht dazu, dass sich der Unternehmer zur Teilnahme am Verbraucherschlichtungsverfahren i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG verpflichtet hat und löst deshalb nicht die dort statuierten weitergehenden Informationspflichten aus.

 

Normenkette

UKlaG § 2 Abs. 1, 2 Nr. 12; VSBG § 36 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 06.11.2017; Aktenzeichen 74 O 43/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 6. November 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 74. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der klagende Dachverband der Verbraucherzentralen nimmt die Beklagte, die unter ... einen Online-Shop betreibt, auf Unterlassung in Anspruch.

Die Beklagte verwendet für ihren Online-Shop Allgemeine Geschäftsbedingungen (Anlage K 1, Anlagenhefter Kläger), die in § 12 folgende Regelung enthalten:

"§ 12 ODR Verordnung

Die EU hat ein Online Portal eingerichtet, um unzufriedenen Kunden zu helfen. Bei Beschwerden über Waren und Dienstleistungen, die Sie bei uns im Internet gekauft haben, können Sie unter folgender Adresse http:/... eine neutrale Streitbeilegungsstelle finden, um zu einer außergerichtlichen Lösung zu gelangen. Bitte beachten Sie, für einige Branchen und in einigen Ländern gibt es derzeit (Stand 01.02.2017) keine Streitbeilegungsstellen. Deshalb können Sie als Verbraucher dieses Portal möglicherweise nicht zur Beilegung von Streitigkeiten mit uns in diesen Ländern nutzen. Weitere Informationen finden Sie im Online Portal der EU. Zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle sind wir nicht verpflichtet. Dennoch sind wir zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle grundsätzlich bereit. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an ..."

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Internetseite der Beklagten enthalten keine Informationen dazu, an welche Verbraucherschlichtungsstelle sich die Verbraucher wenden können. Insbesondere fehlen Informationen zur Anschrift und Webseite der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle.

Der Kläger hat gemeint, dies verstoße gegen die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 2 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG), die eine entsprechende Hinweispflicht enthalte. Deshalb hat der Kläger von der Beklagten nach vergeblicher vorgerichtlicher Abmahnung (Anlage K 2, Anlagenhefter Kläger) mit der Klage Unterlassung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten verlangt.

Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und insbesondere eingewandt, die Hinweispflicht des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG greife mangels bestehender Verpflichtung der Beklagten zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren nicht ein.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat der Einzelrichter ausgeführt, die von der Beklagten verwandte Bestimmung in den AGB verstoße nicht gegen § 36 VSBG, weil die Beklagte sich hiermit nicht zu der Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet, sondern lediglich ihre grundsätzliche Bereitschaft zu dieser Teilnahme erklärt habe. Durch den Wortlaut der Klausel bringe die Beklagte zum Ausdruck, dass sie sich eine Entscheidung im Einzelfall vorbehalte. Ein durchsetzbarer Anspruch des Verbrauchers ergebe sich hieraus nicht. Er bestehe auch nicht aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften. Gegen die Annahme einer Informationspflicht in der vorliegenden Konstellation spreche auch die Regelung des § 37 VSBG betreffend die Informationspflichten nach Entstehung einer Streitigkeit.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge auf Unterlassung und Zahlung weiterverfolgt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Beklagte sei in § 12 ihrer AGB eine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren eingegangen. Auch eine bloße Erklärung zur Bereitschaft begründe eine entsprechende - zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher wirkende - vertragliche Verpflichtung. Dies gelte jedenfalls vor dem Hintergrund des § 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen. Danach sei die Regelung in den AGB der Beklagten dahingehend auszulegen, dass sich die Beklagte vertraglich zu e...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge