Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorteilsausgleichung bei Empfehlung zur Zeichnung mehrerer (später unterschiedlich erfolgreicher) Kapitalbeteiligungen; Bestreiten verspäteter Übergabe des Emissionsprospekts mit Nichtwissen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei taggleicher Empfehlung zweier geschlossener Kapitalbeteiligungen durch dieselbe Anlageberaterin findet eine Vorteilsausgleichung durch Verrechnung der aus der einen Beteiligung erwachsenen Renditen mit den aus der anderen Beteiligung erwachsenen Verlusten grundsätzlich nicht statt.

2. Die Behauptung des Kapitalanlegers, ihm sei der Emissionsprospekt für die streitgegenständliche Kapitalbeteiligung nicht früher als am Tag seines Beitritts übergeben worden, darf die wegen unzureichender Aufklärung über die Beteiligung auf Schadensersatz in Anspruch genommene Anlageberatungsgesellschaft nicht mit Nichtwissen bestreiten.

3. Das Bestreiten einer solchen negativen Tatsache ist auch dann nicht zulässig, wenn die Anlageberatungsgesellschaft alle für sie verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat und dennoch keine eigenen Kenntnisse über den von einem für sie tätigen Handelsvertreter durchgeführten Beratungsvorgang gewonnen hat.

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1, §§ 242, 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1; HGB § 172 Abs. 4; ZPO § 138 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 06.01.2016; Aktenzeichen 11 O 118/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.10.2018; Aktenzeichen III ZR 497/16)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das am 6.1.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.174,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.4.2015 Zug um Zug gegen Übertragung der Gesellschaftsanteile an der der König & Cie. Immobilienfonds IV "Pakhuis Amsterdam" GmbH & Co. KG mit einem Nominalwert von 20.000 EUR zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte sich seit dem 18.4.2015 im Annahmeverzug bezüglich der Rückübertragung der Kapitalbeteiligung des Klägers an der König & Cie. Immobilienfonds IV "Pakhuis Amsterdam" GmbH & Co. KG befindet.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen Schäden und Nachteilen - insbesondere von Rückforderungsansprüchen nach § 172 Abs. 4 HGB - freizustellen, die unmittelbar oder mittelbar auf der vom Kläger am 25.4.2008 gezeichneten Beteiligung an der König & Cie. Immobilienfonds IV "Pakhuis Amsterdam" GmbH & Co. KG beruhen und die ohne diese Beteiligung nicht eingetreten wären.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.507 EUR bis zum 31.8.2016 und auf 18.340,97 EUR ab dem 1.9.2016 festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund angeblich fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zugunsten des Klägers hat es unterstellt, dass dieser weder mündlich noch durch rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts über das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB sowie das Währungsrisiko, das sich aus einer von der Fondsgesellschaft geschlossenen Swap-Vereinbarung auf Schweizer Franken ergeben habe, belehrt worden sei. Das LG ist indes der Auffassung, dass sich der Kläger auf den ihm aus der streitgegenständlichen Anlage entstandenen Schaden die Vorteile anrechnen lassen müsse, die er durch die von der Beklagten taggleich empfohlene und gezeichnete Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds MPC Canada 7 erlangt habe, mithin einen Kapitalzuwachs von 22.928,32 EUR. Nach dessen Verrechnung verbleibe kein Schaden mehr aus der streitgegenständlichen Anlage.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Er meint, dass die Vorausse...

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