Leitsatz (amtlich)

1. Wenn der Reisende am Urlaubsort am Schalter eines anderen Reiseveranstalters einen Tagesausflug einschließlich Beförderung, Besichtigungsprogramm und fachkundiger Führung bucht, so kommt zwischen dem Reisenden und dem Ausflugsveranstalter ein eigener Reisevertrag über die Ausflugsleistung zustande, sofern der Ausflugsveranstalter nicht zu erkennen gibt, den Ausflug nur zu vermitteln.

2. Nimmt ein Sozialversicherungsträger den Reiseveranstalter aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs auf reisevertraglichen Schadensersatz in Anspruch, so hat der Sozialversicherungsträger die in § 651g BGB geregelten Fristen selbst zu wahren. Die Ausschlussfrist beginnt erst zu laufen, wenn der Sozialversicherungsträger Kenntnis von dem anspruchsbegründenden Vorgang und der Person des Reiseveranstalters erlangt hat.

 

Normenkette

SGB X § 116; BGB §§ 651a, 651g

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 18 O 3103/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.2.2001 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Hannover abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 7.000 Euro oder durch Hinterlegung eines entsprechenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheit kann auch durch eine unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer inländischen öffentlichen Sparkasse oder eines anderen Kreditinstituts erbracht werden, das einer für die Anlage von Mündelgeld ausreichenden Sicherungseinrichtung angehört.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Unfall geltend, der sich am 1.3.1994 in … ereignete.

Bei der Beklagten handelt es sich um einen gewerblichen Reiseveranstalter. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Krankenkasse, bei der Frau … (im Folgenden: Versicherte) krankenversichert ist. Die Versicherte buchte bei dem Reiseveranstalter „…”, einer Tochtergesellschaft der Beklagten, für die Zeit vom 25.2. bis 11.3.1994 eine Pauschalreise nach …. Als Reiseleiter vor Ort fungierten Mitarbeiter der Beklagten. Die Versicherte buchte vor Ort bei einer Reiseleiterin der Beklagten an einem Stand mit der Aufschrift „…” einen Tagesausflug in die Wüste. Das Ausflugsprogramm beinhaltete die Beförderung der Ausflugsteilnehmer in einem Jeep, die Besichtigung von Goldminen und Ruinen einer antiken Stätte unter deutschsprachiger Führung. Infolge der nicht angepassten Fahrweise des … Fahrers und der damit einhergehenden Erschütterungen des Fahrzeuges stieß die im Fahrgastraum sitzende Versicherte mehrfach mit dem Kopf gegen das Autodach. Die Versicherte erlitt hierdurch einen Kompressionsbruch eines Rückenwirbels mit Beteiligung des Rückenmarks und eine dadurch verursachte partielle Querschnittslähmung beider Beine. Die Versicherte trat am 4.3.1994 den Rückflug nach … an und befand sich seit dem 5.3.1994 für längere Zeit in stationärer Heilbehandlung und in Anschlussheilbehandlung.

Mit einem bei der Beklagten am 13.4.1994 eingegangenem Schreiben und einem weiteren an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 19.5.1994 meldete die Klägerin ihre Ansprüche an. Mit Schreiben vom 5.7.1994 wies die Haftpflichtversicherung der Beklagten die Ansprüche der Klägerin voll umfänglich zurück, da diese verfristet seien und es sich überdies bei dem Tagesausflug nicht um eine Leistung der Beklagten, sondern um eine Fremdleistung gehandelt habe. Mit Schreiben vom 16.3.1999 meldete die Klägerin erneut Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten an, welche mit Schreiben der Haftpflichtversicherung vom 5.5.1999 erneut zurückgewiesen wurden.

Die am 26.7.1999 bei dem LG Hannover eingegangene Klage der Klägerin wurde der Beklagten am 15.11.1999 zugestellt.

Die Versicherte hat die Beklagte in zwei Vorprozessen bereits auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Mit Urteil des AG Hannover (AG Hannover, Urt. v. 13.11.1996 – 553 C 11550/94) sowie mit Schlussurteil des LG Hannover (LG Hannover, Urt. v. 16.2.1998 – 20 O 92/96) wurde die Beklagte jeweils zum Ersatz materieller Schäden verurteilt, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind, wohingegen das LG Hannover in dem letztgenannten Verfahren mit Teilurteil vom 13.1.1997 die Klage abgewiesen hat, soweit die Versicherte immateriellen Schadensersatz beansprucht hat.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe aufgrund des Unfalls vom 1.3.1997 Heil- und Behandlungskosten i.H.v. 100.510,80 DM erbracht.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei passivlegitimiert, da der Ausflug vor Ort bei einer Reiseleiterin der Beklagten an einem Stand mit der Aufschrift „…” gebucht wurde. Hinweise ...

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