Leitsatz (amtlich)

Zum Werben um Mitglieder oder Unterstützer terroristischer Vereinigungen im Ausland durch Verbreitung der Reden ihrer Rädelsführer im Internet.

 

Tenor

Der Angeklagte wird wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer ausländischer terroristischer Vereinigungen in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Das Notebook "HP Pavillon ZE 4200" (Asservat Nr. 6.2.2) und das Notebook "Sony Vaio" mit Ersatzakku (Asservate Nrn. 6.9.1 und 6.2.1) werden eingezogen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewandte Vorschriften: §§ 129a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 1, 129b Abs. 1, 53 Abs. 1, 74 StGB.

 

Gründe

Vorbemerkung: Gegenstand des Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe um neue Mitglieder oder Unterstützer von Al Qaeda bzw. Al Qaeda im Zweistromland geworben, indem er Reden der Rädelsführer, in denen der Zuhörer bzw. Leser zur Eliminierung des westlichen Einflusses in der arabischen Welt, zur Errichtung von Gottesstaaten auf der Basis des islamischen Rechts und zur Gemeinschaft der Gläubigen als islamische Nation aufgefordert und in denen der "Heilige Krieg" ("Djihad") mit der Tötung und Verschleppung der sogenannten Ungläubigen als Mittel hierzu propagiert wird, im Internet verbreitet hat.

Feststellungen

Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten

Der Angeklagte wurde am 1. Juli 1970 in K. im Irak als Sohn der Eheleute M. und A. R. geboren. Er ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Im Irak besuchte er zwölf Jahre die Schule, verließ diese aber ohne Abschluss. Während seiner Militärzeit im Irak von 1990 bis 1991 wurde er zum Panzermechaniker ausgebildet. Sodann arbeitete er bei seinem Vater in einem Lebensmittelgeschäft. Einen Beruf hat er nicht erlernt.

Am 22. Mai 1996 reiste der Angeklagte erstmals nach Deutschland ein. Nach seinen Angaben war Anlass die Drangsalierung seiner Familie durch das irakische Regime Saddam Husseins. Am 29. Mai 1996 stellte er beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Antrag auf Asyl, der durch Bescheid vom 19. September 1996, bestandskräftig seit dem 27. Juni 1997, abgelehnt wurde. Gleichzeitig stellte die Behörde ein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG fest. Daraufhin erhielt der Angeklagte am 30. Juli 1997 erstmalig eine Aufenthaltsbefugnis.

Der Angeklagte wurde zunächst in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Memminger Straße 72 in Neu-Ulm untergebracht. Mit Bescheid vom 5. Juli 1996 wurde er mit Wirkung vom 11. Juli 1996 der Gemeinschaftsunterkunft Am Hohen Weg 2 in Nördlingen zugewiesen. In den folgenden Jahren wohnte er in Regensburg und Nürnberg.

Am 1. Februar 2001 heiratete er nach islamischem Recht Frau S. Y. I.. Da diese in G. lebte, zog der Angeklagte zu ihr in die H.straße 16 und wohnte nach der Geburt des ersten Kindes am 6. November 2001 vom 8. Juli 2002 an mit seiner Familie in einer Wohnung in der N. H.straße 2. Nach der Geburt des zweiten Kindes am 9. Januar 2003 zog die Familie erneut um und bezog ab dem 20. Januar 2003 eine Wohnung im B. Weg 25. Vom 1. Dezember 2004 bis zum 31. Januar 2006 bewohnte die Familie eine Wohnung in der Straße A. W. 14. Dem Angeklagten fiel es in G. schwer, sich in das alltägliche Leben zu integrieren. Er verfügte kaum über soziale Kontakte außerhalb seiner Familie und versuchte auch vergeblich, bei den Hüttenwerken vor Ort eine Anstellung zu erhalten. Eine Tätigkeit im Montage und Verpackungsservice musste er am 17. Dezember 2004 aufgeben. Echte Freundschaften schloss er kaum. Zwar zeigte er sich freundlich und hilfsbereit insbesondere gegenüber seinen Nachbarn. Gespräche mit diesen verliefen aber größtenteils nur oberflächlich. Mit deutschen Nachbarn, wie dem Zeugen F., fanden schon wegen der mangelnden Deutschkenntnisse des Angeklagten so gut wie keine Gespräche statt. War eine Verständigung auf türkisch möglich, wie etwa mit den Zeugen K., S. oder O., beschränkten sich die Gespräche auf allgemeine Themen wie Familie, Wetter, Sport und die Lebenssituation im Irak. Nur selten machte oder erhielt seine Familie Besuche. Seine engste Bezugsperson in G. war der Zeuge D., den er ca. 2002 kennen lernte. Dieser besuchte zusammen mit dem Angeklagten die Moschee, begab sich mit ihm zu Kfz-Händlern und zum Einkaufen und versuchte auch, dem Angeklagten eine Arbeitsstelle zu beschaffen. Zum 1. Februar 2006 zog der Angeklagte mit seiner Familie in eine Wohnung des Hauses B. Weg 20, in dem neben dem Zeugen K. auch der Zeuge D., der dem Angeklagten diese Wohnung vermietete, wohnte. Inzwischen haben der Angeklagte und Frau S. Y. I. vier gemeinsame Kinder im Alter zwischen einem und sechs Jahren. Die Familie lebt hauptsächlich von Sozialleistungen.

Am 17. November 2004 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Oldenburg die zuvor getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und stellte gleichzeitig fest, dass keine Abschiebungshindernisse gegeben...

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