Verfahrensgang

LG Stade (Aktenzeichen 2 O 136/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.11.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Stade wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 323.581,44 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 ZPO.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr auf Klagabweisung gerichtetes Begehren weiter.

Hierzu vertritt sie die Auffassung, dass die Entscheidung des LG eine Überraschungsentscheidung gewesen sei. Das LG hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass es ihren – der Beklagten – Vortrag zur Überschuldung und Kreditunwürdigkeit für unzureichend erachte; der Vortrag wäre dann ergänzt worden. Daher sei neuer Tatsachenvortrag zu diesen Punkten in der Berufungsinstanz gem. § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

Die Beklagte beschränkt sich dann aber auf neuen Vortrag zu der von ihr behaupteten Kreditunwürdigkeit, wobei sie unter Vorlage entspr. Korrespondenz im Wesentlichen darauf verweist, dass sie zu Beginn des Jahres 2003 vergeblich um Einräumung einer Kreditlinie bemüht gewesen sei. Zur behaupteten Überschuldung verweist die Beklagte lediglich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Schließlich meint sie, dass die Klägerin mit ihrem Zahlungsverlangen gegen ihre gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten verstoße, denen in dem Jahrhunderte alten Familienunternehmen besondere Bedeutung zukomme.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie hält den Vortrag der Beklagten weiterhin für unzureichend und verweist darauf, dass die Beklagte wegen der bei ihr vorhandenen Liquidität überhaupt nicht auf Kredit von dritter Seite angewiesen sei.

II. Die Berufung ist unbegründet. Die Beklagte kann der – dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitigen – Forderung der Klägerin weder entgegenhalten, dass die Auszahlung des geforderten Betrages gegen § 30 GmbHG verstoße noch dass die Klägerin mit ihrem Zahlungsbegehren ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nicht genüge.

1. § 30 GmbHG steht der Auszahlung der Beträge, die der Klägerin aufgrund ihrer Schreiben vom 27.9.2001 und vom 22.12.2001 i.V.m. den satzungsmäßigen Regelungen zustehen, nicht entgegen.

Dabei hat das LG zunächst zutreffend festgestellt, dass § 30 GmbHG im vorliegenden Fall entspr. anwendbar ist. Zwar gelten zunächst grundsätzlich die gesetzlichen Vorschriften über Kapitalrückzahlungen bei der GmbH & Co. KG für beide Gesellschaftsformen gesondert, je nachdem aus welchen Bereich eine Zahlung erfolgt ist. Doch können Leistungen der KG an Kommanditisten (auch) gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen. Maßgeblich hierfür sind die unterschiedlichen Haftungsverfassungen einer GmbH & Co. KG und einer KG, die dem gesetzlichen Leitbild des HGB entspricht (BGHZ 60, 324 [327 ff.]; OLG Celle v. 3.6.1998 – 9 U 226/97, OLGReport Celle 1998, 258 ff. = GmbHR 1998, 1131).

Das Recht der Kommanditgesellschaft garantiert deren Gläubigern kein bestimmtes Gesellschaftsvermögen; dies kann vielmehr von den Gesellschaftern, falls sie sich einig sind, jederzeit entnommen werden. Wird dem Kommanditisten Gesellschaftsvermögen ausgezahlt, so lebt zwar nach § 172 Abs. 4 HGB seine Haftung ggü. den Gesellschaftsgläubigern wieder auf, so dass diese im Umfang der Entnahme unmittelbar auf das Privatvermögen des Kommanditisten zugreifen können. Diese Haftung ist aber durch die Höhe der eingetragenen Haftsumme begrenzt. Soweit den Gläubigern Forderungen bei der Gesellschaft und den Kommanditisten ausfallen, können sie sich an den Komplementär halten, der ihnen unbeschränkt haftet. Diese Haftung soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine wirtschaftlich vernünftige Unternehmensführung gewährleisten und die KG davor schützen, dass ihr Vermögen zugunsten der Kommanditisten ausgehöhlt wird (BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342 [356] = GmbHR 1990, 251 = MDR 1990, 601). In der GmbH & Co. KG fehlt dieses Gegengewicht. Zwar haftet auch hier die Komplementär-GmbH unbeschränkt, jedoch nur mit dem Vermögen, das sie im Zeitpunkt ihrer Liquidation hat. Der unbeschränkte Zugriff auf das Privatvermögen der hinter den Gesellschaften stehenden natürlichen Personen ist den Gläubigern regelmäßig verwehrt. In deren Interesse sind deshalb die Vorschriften zur Kapitalerhaltung im GmbH-Recht für die GmbH & Co. KG entspr. heranzuziehen, wenn zulasten des Garantiekapitals Vermögen der Kommanditgesellschaft an die Kommanditisten ausgeschüttet wird. Kommt es bei der KG zu einer Überschuldung, so muss die GmbH wegen ihrer unbeschränkten Haftung (§ 128 HGB) Rückstellungen oder Ve...

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