Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der Tathandlungen des Verharmlosens und des Leugnens. Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens beim Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fälle des umfassenden Herunterrechnens der Opferzahlen des Holocausts unterfallen allein der Tatbestandsvariante des "Verharmlosen" i.S.v. § 130 Abs. 3 StGB.

2. Die mit einer eigenen Bewertung versehene und jedermann im Internet zugängliche Verlinkung eines Beitrages, der ein augenscheinlich manipuliertes Foto eines Eingangstores zu einem Konzentrationslager zeigt, bei dem der tatsächlich vorhandene Schriftzug im Torbogen durch die Worte "Muh Holocaust" ersetzt ist, und in dem dargelegt wird, in Bezug genommene Quellen seien geeignet, das historisch nachgewiesene Ausmaß des Völkermordes an der jüdischen Bevölkerung während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu widerlegen, ist geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

 

Normenkette

StGB § 130 Abs. 3; GG Art. 5

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 10.01.2019; Aktenzeichen 45 Ns 92/18)

 

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Hannover vom 10. Januar 2019 wird mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte hinsichtlich Tat 1 vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden ist. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen von Tat 1 bleiben jedoch aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hannover hat den Angeklagten am 16. Mai 2018 wegen Volksverhetzung in 3 Fällen zu drei Einzelstrafen von jeweils 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten gebildet, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Auf die Berufung des Angeklagten hin hat die Berufungskammer mit dem jetzt angefochtenen Urteil das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 16. Mai 2018 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.

1.

Zur Person des Angeklagten hat die Berufungskammer festgestellt, dass der heute 49 Jahre alte Angeklagte akademisch gebildet ist.

2.

Zum Sachverhalt hat die Berufungskammer im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

1.) Am 08. August 2017 verlinkte der Angeklagte auf seiner öffentlich zugänglichen Facebook-Seite den Beitrag des Anbieters R. T. "International R. C. Report confirms the Holocaust of six Million Jew is a Hoax", der oberhalb dieser Überschrift ein augenscheinlich manipuliertes Foto eines Eingangstores zu einem Konzentrationslager zeigte, bei dem der tatsächlich vorhandene Schriftzug im Torbogen durch die Worte "Muh Holocaust" ersetzt war und kommentierte diesen Link mit "Ach Was" sowie sechs Smiley-Symbolen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte hierdurch die unwahre Behauptung zu eigen, das Internationale R.K. habe ausweislich eines Berichts über seine Tätigkeit während des zweiten Weltkrieges im Jahr 1948 festgestellt, in den unter nationalsozialistischer Herrschaft betriebenen Konzentrationslagern seien ca. 271.000 Personen, davon etwa die Hälfte Juden, gestorben. Zugleich habe sich der Angeklagte der in dem verlinkten Beitrag vertretenen Auffassung angeschlossen, die genannten Zahlen entsprächen der geschichtlichen Wahrheit und seien daher geeignet, das historisch nachgewiesene Ausmaß des Völkermordes an der jüdischen Bevölkerung während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu widerlegen. Schließlich habe sich der Angeklagte auch die in dem verlinkten Beitrag enthaltene Verhöhnung der Opfer jenes Völkermordes zu eigen gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten hat das Landgericht gem. 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die bei den Akten befindlichen Screenshots (Bl. 12, 16 Band II d. A.) Bezug genommen.

2.) Am 31. August 2017 verlinkte der Angeklagte auf seiner Facebook-Seite den Beitrag des Anbieters "m.w." "Vor und nach dem Holocaust": jüdische Bevölkerungszahlen in 1933 und 1948" und kommentierte diesen mit dem Wort "Zahlenspiele" und einem dahinter gesetzten Symbol, das einen grübelnden Smiley zeigt. Der Artikel nimmt Bezug auf im Jüdischen Weltalmanach von 1933 und 1948 publizierte Weltbevölkerungszahlen der Juden, die ein Anwachsen der jüdischen Weltbevölkerung um 438.000 Menschen auszuweisen scheinen sowie auf den bereits unter Ziffer 1.) dargestellten Bericht des Internationalen R. K. von 1948, in dem angeblich festgestellt wird, in den unter nationalsozialistischer Herrschaft betriebenen Konzentrationslagern seien ca. 271.000 Personen, davon etwa die Hälfte Juden, gestorben, und behauptet, diese Quellen seien geeignet, den allgemein anerkannten historischen Nachweis des millionenfachen Völkermordes an der jüdischen Bevölkerung unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft zu widerlegen. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte die in...

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