Leitsatz (amtlich)

1. Ein Landwirt, der eine landwirtschaftliche Bewässerungsanlage neben einer Pferdeweide derart in Betrieb nimmt, dass der Wasserstrahl auch die Weide beregnet und dadurch ein Pferd in Panik gerät und tödlich verunfallt, verletzt gegenüber dem Pferdeeigentümer eine Verkehrssicherungspflicht.

2. Den Landwirt entlastet fehlendes Wissen über das übliche Fluchtverhalten eines Pferdes nicht. Er hat sich gegebenenfalls vor Inbetriebnahme einer Bewässerungsanlage hierüber Kenntnis zu verschaffen und muss sicherstellen, dass die Anlage nur das eigene Grundstück beregnet.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 24.03.2015; Aktenzeichen VI ZR 534/13)

LG Lüneburg (Urteil vom 30.04.2013; Aktenzeichen 10 O 26/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG L. vom 30.4.2013 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.11.2012 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof.

Das Urteil ist vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen eines tödlichen Unfalls ihres Pferdes infolge einer Panikreaktion nach Inbetriebnahme einer landwirtschaftlichen Bewässerungsanlage.

Die Klägerin war Besitzerin der Hannoveraner Stute "D."; die Eigentumsverhältnisse stehen in Streit. Die Stute weidete am 23.6.2012 mit einem anderen Pferd auf einem Grundstück der Klägerin. Der Beklagte ist Landwirt und Eigentümer des angrenzenden Grundstücks, auf dem er am Schadenstag gegen 8:00 Uhr eine Bewässerungsanlage einschaltete. Nach den Feststellungen des LG beregnete die Anlage, die zu Beginn des Betriebs ein lautes "Schnalzgeräusch" hervorruft, auf einer Länge von rund 10 m auch das Weidegrundstück der Klägerin. Die in Panik geratene Stute "D." flüchtete und verletzte sich beim Überspringen des Weidezauns derart schwer, dass sie eingeschläfert werden musste.

Zur Höhe des Schadens behauptet die Klägerin, sie habe das Tier vor dem Unfall zu einem Preis von 40.000 EUR an die Zeugin S. verkauft.

Das LG, auf dessen Entscheidung wegen des weiteren Sachverhalts verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.4.2013, Bl. 65 Bd. 1 d.A.). Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bestehe nicht. Dem Beklagten könne als schuldhafte und schadensursächliche Pflichtverletzung weder die Inbetriebnahme noch das unterlassene Abschalten der Bewässerungsanlage vorgeworfen werden. Die Panik der Tiere sei aller Wahrscheinlichkeit nach durch das Geräusch beim Einschalten verursacht worden, so dass sich eine etwaige rechtswidrige Beregnung des Grundstücks der Klägerin nicht im Schaden ausgewirkt habe. Da der Beklagte die Panik der Pferde nicht bemerkt habe, könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass er die Anlage nicht abgeschaltet habe. Es sei zudem ungewiss, ob dadurch der Schaden vermieden worden wäre.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 19.11.2013 (Bl. 133 Bd. 1 d.A.) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Durch Beschluss vom 14.3.2015 (Bl. 35 Bd. 2 d.A.) hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Senats aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der Senat sei verfahrensfehlerhaft dem Beweisantritt auf Einholung eines hippologischen Sachverständigengutachtens zur Ursächlichkeit des Wasserstrahls für die Panikreaktion nicht nachgegangen.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LG vom 30.4.2013 (Az.: 10 O 26/12), zugestellt am 7.5.2013, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 40.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.11.2012 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. A. B. und durch Vernehmung der Zeuginnen S. und W. sowie des Zeugen M.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das schriftliche Gutachten vom 2.11.2015 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.2.2016 (Bl. 51 Bd. 3 d.A.).

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist erfolgreich.

Der Beklagte haftet der Klägerin wegen des tödlichen Unfalls des Pferdes "D." vom 23.6.2012 gem. § 823 Abs. 1 BGB auf Ersatz des Schadens in Höhe von 40.000 EUR.

1. Für die Entscheidung ist davon auszugehen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfallereignisses Eigentümerin des verendeten Pferdes war. Das Eigentum der Klägerin an der Stute ist zwar streitig. Auf die von der Klägerin zum Nachweis ihres Eigentums angebotenen Beweise (insbesondere Vernehmung des Zeugen G. hat als früheren Eigentümer und Veräußerer...

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