Leitsatz (amtlich)

"Liegengeblieben" ist ein Fahrzeug, das sich gleichgültig weshalb aus eigener Kraft nicht mehr fort oder aus dem Verkehrsbereich wegbewegen kann, d.h. entweder gegen den Willen des Fahrzeugführers nicht mehr bewegt werden kann oder dieser aus (primär im Fahrzeug liegenden) Umständen gezwungen ist, sein Fahrzeug anzuhalten. Vom Wesen her ist "Liegenbleiben" damit ein unfreiwilliges Halten.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 23.03.2007; Aktenzeichen 4 O 310/06)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hannover vom 23.3.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 38.211,57 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um einen Verkehrsunfall vom 7.6.2006 auf der Bundesautobahn 31. Der Fahrer W hatte den mit Aluschrott beladenen Lkw der Klägerin auf dem Seitenstreifen der Autobahn angehalten, seinen Angaben und auch den ursprünglichen Angaben der Klägerin zufolge, um die Ladung zu überprüfen, weil es hier Anzeichen einer Unregelmäßigkeit gegeben habe (vgl. insbesondere Bl. 2 und Bl. 129 d.A. sowie auch Bl. 2 der Ermittlungsakte). Noch während der Fahrer W mit dem Lkw auf dem Seitenstreifen der Autobahn hielt, fuhr ein bei der Beklagten versicherter Lkw gegen den haltenden Lkw der Klägerin, so dass dieser umstürzte. Dabei wurde der Lkw der Klägerin erheblich beschädigt. Die Beklagte regulierte unter Anerkennung einer eigenen Haftung von 70 % den Schaden, soweit sie ihn für begründet hielt, und zahlte insgesamt 53.630,67 EUR (LGU 2). Die Klägerin begehrt den nicht regulierten Schaden von der Beklagten ersetzt. Mit der Klage hat sie zunächst einen Betrag i.H.v. 41.668,44 EUR geltend gemacht (vgl. Bl. 3 d.A.), sodann unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Zahlung der Beklagten noch 41.631,57 EUR begehrt (vgl. Bl. 95 d.A. mit der Anlage K 7, Bl. 98 d.A.).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zu Lasten der Klägerin sei die von ihrem Lkw ausgehende Betriebsgefahr mit 30 % zu berücksichtigen. Demnach sei die Klageforderung nicht begründet. Denn die Beklagte habe den nach der angenommenen Quote geschuldeten Betrag ausgeglichen; die darüber hinaus noch verbliebene Forderung sei durch Aufrechnung erloschen (vgl. dazu LGU 5 sowie Bl. 85 f. d.A.). Im Übrigen stünden der Klägerin Mietwagenkosten für September 2006 nicht zu (LGU 6).

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, jedoch nicht insoweit, als das LG für September 2006 Mietwagenkosten i.H.v. 3.420 EUR abgewiesen hat. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Lkw sei im Unfallzeitpunkt nicht "betrieben" worden, weshalb von ihm auch keine Betriebsgefahr ausgegangen sei. Vielmehr sei der Lkw "liegengeblieben" und habe deshalb "keinen Einfluss und keine Wirkung" auf die vorbeifahrenden Fahrzeuge auf der Autobahn gehabt (vgl. Bl. 167 d.A.). Unabhängig davon müsse die Betriebsgefahr in jedem Fall hinter dem überwiegenden Verschulden des Fahrers des bei der Beklagten versicherten Lkw zurücktreten, weil dieser auf den haltenden Lkw der Klägerin völlig achtlos aufgefahren sei. Ihr Fahrer W sei außerdem verpflichtet gewesen, in der konkreten Situation den Lkw auf kürzestem Wege aus dem Verkehr zu ziehen, "falls" unterwegs auftretende Mängel die Verkehrssicherheit des Lkw wesentlich beeinträchtigten. Deshalb hätte er nicht noch bis zum nächsten Parkplatz weiterfahren können (Bl. 169 d.A.). Hierbei habe er kein Ermessen gehabt (Bl. 170 d.A.). Somit habe es sich entweder um ein erlaubtes Halten wegen einer vom Fahrzeugführer angenommenen Panne bzw. eine Fahruntüchtigkeit oder um ein Liegenbleiben i.S.v. § 15 StVO gehandelt.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 38.211,57 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.9.2006 zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das LG zu Lasten der Klägerin die Betriebsgefahr des Lkw bei der Haftungsverteilung berücksichtigt. Dem Fahrer W ist auch ein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls anzulasten. Für ein Zurücktreten von Betriebsgefahr und Verschulden hinter dem Verursachungs- und Verschuldensbeitrag, den sich die Beklagte anzurechnen hat, besteht keine Veranlassung. Die vom LG angesetzte Haftungsverteilung von 30: 70 zu Lasten der Be...

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