Leitsatz (amtlich)

Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Übertragung von Verkehrssicherungspflichten:

Die Übertragung von Verkehrssicherungspflichten durch den primär verkehrssicherungspflichtigen Eigentümer auf einen Hauswart (hier: einen 67 Jahre alten Rentner) ist unwirksam, wenn neben der Verpflichtung zum Rasenmähen, Fegen, Räumen und Streuen "die allgemeine Gebäudeaufsicht hinsichtlich der baulichen Instandhaltung" übertragen wird.

Wird in einem Hauswartvertrag die Verkehrssicherungspflicht für mehr als 20 (Mehrfamilien-)Häuser, außerdem Läden und Garagen, übertragen, und erhält der Hauswart für seine Tätigkeit nur ein Entgelt dergestalt, dass er in einer 48 m2 großen Wohnung mit zwei Zimmern frei wohnen darf (nur Grundmiete), dann kommt zwar die Annahme der Sittenwidrigkeit des Hauswartvertrages in Betracht. Auf die formale Wirksamkeit des Vertrages, mit dem Verkehrssicherungspflichten übertragen werden sollen, kommt es aber nicht an.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 138 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 03.12.2009; Aktenzeichen 19 O 139/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 3.12.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des LG Hannover geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.775,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 4.453,55 EUR seit dem 3.2.2007 sowie auf 322,20 EUR seit dem 5.7.2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche über die im Klageantrag zu 1 geltend gemachten Schäden hinausgehende weitere Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des Postbeamten L. B. bei dem Unfall am 22.6.2006 auf dem Grundstück S. weg ...,... H., entstanden sind und künftig entstehen werden, soweit die Ansprüche auf die Klägerin übergegangen sind oder übergehen werden.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht ihres Versicherten L. B. wegen eines Unfalls in Anspruch, den dieser während seiner Tätigkeit als Paketzusteller am 22.6.2006 infolge eines wackelnden Metallrostes vor dem Haus des Beklagten im S. weg in H. erlitten haben soll.

Der Beklagte hat einen Sturz des Zustellers und die behaupteten Verletzungen in Abrede genommen; der Metallrost habe nicht gewackelt. Im Übrigen hat er die Einrede der Verjährung erhoben.

Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L. und B. B. sowie U. S. und P. S. (Bl. 66 ff. d.A.).

Das LG hat sodann die Klage abgewiesen. Zwar sei es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich der Metallrost vor dem Hauseingang in einem objektiv verkehrswidrigen Zustand befunden habe und der Zeuge B. deshalb gestürzt sei. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen S. aber habe der Beklagte seine Verkehrssicherungspflichten durch Vertrag auf diesen übertragen. Eingehende Kontrollen der Metallroste durch regelmäßiges Betreten oder sonstige "Wackelproben" seien nicht geschuldet gewesen. Eine Sichtkontrolle sei ausreichend gewesen. Auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und der Aussage des Zeugen B. habe man dem Rost den wackeligen Zustand nicht angesehen. Eine Haftung für den Zeugen S. aus § 831 BGB komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil dieser nicht pflichtwidrig gehandelt habe. Der Beklagte habe auch nicht für ein etwaiges Unterlassen der Mieter einzustehen. Auf die erhobene Einrede der Verjährung komme es nicht an; unabhängig davon wäre sie unbegründet.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin unter Wiederholung ihrer erstinstanzlich gestellten Anträge auf Zahlung und Feststellung.

Das LG habe die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Parteien zurückgewiesen. Dennoch habe das LG in seinem Urteil die Angaben des Zeugen S. hinsichtlich des Abschlusses eines Hauswartvertrages zugrunde gelegt, obgleich sich der Beklagte diese Angaben erst nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 17.11.2009 zu Eigen gemacht habe. Dies habe das LG nicht mehr berücksichtigen dürfen. Widersprüche in den Aussagen des Zeugen S. in dieser Sache und dem früheren Rechtsstreit 437 C 9423/07 AG Hannover habe das LG nicht berücksichtigt. Eine Übertragung von Verkehrssicherungspflichten hätte vorausgesetzt, dass der Zeuge S. das Haus hätte betreten müssen, was aber nicht der Fall gewesen sei. Auch die vom LG geforderte bloße Sichtkontrolle habe der Zeuge S. nicht vorgenommen. Außerdem habe das LG die dem Beklagten obliegenden Kontrollpflichten völlig unberücksichtigt gelassen.

Die Klägerin beantragt, an sie 4.775,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 4.453,55 EUR seit dem 3.2.2007 sowie auf 322,20 EUR seit dem 5.7.2007 zu zahlen, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche über die im Klageantrag zu 1 geltend gemachten Schäden hinausgehende weitere Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der V...

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