Leitsatz (amtlich)

1. Dem Versicherer steht für erbrachte Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung ein vertraglicher Rückforderungsanspruch wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage zu, wenn die Parteien bei Vertragsschluss irrig davon ausgingen, der Versicherungsnehmer sei selbständig tätig und dies in die vereinbarten Tarife aufnahmen, dieser tatsächlich aber wegen der bloßen Begründung einer „Scheinselbständigkeit” sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer geblieben war.

2. Dieser vertragliche Anspruch verjährt in den Fristen des § 12 Abs. 1, 2 VVG.

3. Ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung kommt daneben nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 13.03.2003; Aktenzeichen 14 O 3224/01)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.3.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht i.E. weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546, § 561 analog ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

1. Klage

a) Der Klägerin steht ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Krankentagegeldes i.H.v. 7.979,18 Euro (= 15.605,92 DM) zu.

aa) Gem. § 15a) MB/KT 94 endet das Versicherungsverhältnis bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist. In dieser Fassung verstößt die Klausel zwar gegen § 9 AGBG a.F., weil sie zu einer Beendigung des Versicherungsverhältnisses trotz der Möglichkeit späterer Wiedererlangung der Versicherungsfähigkeit führt (vgl. BGH v. 22.1.1992 – IV ZR 59/91, MDR 1992, 454 = VersR 1992, 477 [478]; v. 26.2.1992 – IV ZR 339/90, MDR 1992, 1038 = VersR 1992, 479 [480] zu § 15a) MB/KT 78 und dem Beendigungsgrund der Berufsunfähigkeit; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 15 MB/KT Rz. 2; Bach/Moser, MB/KK, MB/KT, 3. Aufl., § 15 MB/KT Rz. 3). Im Wege ergänzender Vertragsauslegung entfällt jedoch gleichwohl die Leistungspflicht des Versicherers bei Wegfall der Versicherungsfähigkeit, so dass dem Versicherer, der in Unkenntnis seiner Leistungsfreiheit geleistet hat, ein vertraglich vereinbarter Rückzahlungsanspruch zusteht (BGH v. 26.2.1992 – IV ZR 339/90, MDR 1992, 1038 = VersR 1992, 479 [480] zu § 15a; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 15 MB/KT Rz. 3; Bach/Moser, MB/KK, MB/KT, 3. Aufl., § 15 MB/KT Rz. 4). Tatsächlich gilt die Klausel also – mit Ausnahme der Beendigung des Versicherungsverhältnisses – inhaltlich weiter (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 15 MB/KT Rz. 4).

Allerdings setzt § 15a) MB/KT den Wegfall der Versicherungsfähigkeit voraus. Hieraus wird überwiegend geschlossen, dass die Regelung nicht anwendbar ist, wenn die Versicherungsfähigkeit von Beginn an gefehlt hat (OLG Köln v. 14.9.1989 – 5 U 245/88, VersR 1990, 769 [770]; Bach/Moser, MB/KK, MB/KT, 3. Aufl., § 15 MB/KT Rz. 9; § 2 MB/KT Rz. 9; § 2 MB/KK Rz. 27 – 29). Ob dieser Auffassung zu folgen ist oder eine analoge Anwendung von § 15a) MB/KT 94 mit Hilfe eines „Erst-Recht-Schlusses” in Betracht kommt, zumal für eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden zeitlich häufig nahe beieinander liegenden Fallgruppen auch keine Rechtfertigung besteht (vgl. etwa LG Frankfurt/a.M. VersR 1975, 1116, wo bei einem aufgrund eines Antrags vom 4.10.1970 geschlossenen Vertrag über eine Krankentagegeldversicherung die Versicherungsfähigkeit bereits am 6.11.1970 wegen Aufnahme eines abhängigen Arbeitsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer weggefallen war), kann in dessen i.E. offen bleiben.

bb) Jedenfalls kommt nämlich ein Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht, wenn die Parteien sich bei Vertragsschluss in einem beiderseitigen subjektiven Irrtum befinden, d.h. fälschlich davon ausgehen, dass die versicherte Person die Merkmale der Aufnahmefähigkeit in einen bestimmten Tarif erfüllt (LG Köln v. 19.9.1984 – 24 O 64/83, VersR 1985, 384 [385]; Bach/Moser, MB/KK, MB/KT, 3. Aufl., § 2 MB/KK Rz. 29; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 2 MB/KT Rz. 2; vom Grunde auch OLG Köln VersR 1990, 770 [771]). Stellt sich dieser Irrtum später heraus, liegt ein Fall des Fehlens der Geschäftsgrundlage mit der Folge vor, dass der Vertrag grundsätzlich ex tunc anzupassen ist (Bach/Moser, MB/KK, MB/KT, 3. Aufl., § 2 MB/KK Rz. 29). Demgegenüber führt das anfängliche Fehlen der Versicherungsfähigkeit nicht etwa dazu, das der Vertrag von Anfang an unwirksam wäre (LG Köln v. 19.9.1984 – 24 O 64/83, VersR 1985, 384 [385]; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 2 MB/KT Rz. 2; Bach/Moser, MB/KK, MB/KT, 3. Aufl., § 2 MB/KK Rz. 28).

So liegt es auch hier. Die Parteien sind bei Vertragsschluss irrig von der Versicherungsfreiheit des Beklagten als Selbständiger als Voraussetzung für die Vereinbarung der Kranke...

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