Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsquote bei Verkehrsunfall: Kollision eines fast die gesamte Fahrbahnbreite einnehmenden Anhängergespann mit geöffneter Fahrertür eines geparkten Pkw

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem fast die gesamte Fahrbahn einnehmenden Anhängergespann erhöht sich dessen Betriebsgefahr, da der Seitenabstand zu parkenden Fahrzeugen nicht ohne in den Gegenverkehr zu geraten eingehalten werden kann.

2. Bei Kollision eines fast die gesamte Fahrbahn einnehmenden Anhängergespanns mit einer unter Verstoß gegen § 14 StVO geöffneten Fahrertür eines Pkw tritt die dann erhöhte Betriebsgefahr des Anhängergespanns hinter dem Alleinverschulden des Halters des geparkten Pkw nicht vollständig zurück.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17-18; StVO § 14; BGB §§ 249, 421, 823 Abs. 1; VVG § 115 S. 4, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; PflVG § 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 12.09.2016; Aktenzeichen 1 O 11/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.9.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Hannover geändert und das am 27.4.2016 verkündete Versäumnisurteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Hannover teilweise aufgehoben und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.548,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.1.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 75 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 25 % zu tragen, jedoch mit Ausnahme der Kosten der Säumnis. Die Kosten seiner Säumnis trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger hatte am 2.4.2015 seinen Pkw in einer Parkbucht am rechten Fahrbahnrand der M. straße in H. kurz vor der Ampel an der Kreuzung M. straße/B. Allee/S. straße geparkt und die Fahrzeugtür ca. 40 bis 50 cm geöffnet, um sich in sein Fahrzeug zu setzen. Die Fahrertür ragte dabei in die Fahrbahn hinein. Zur gleichen Zeit stand der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Ford Transit, mit dem er einen Anhänger zog, vor der rot zeigenden Lichtzeichenanlage an der vorbenannten Kreuzung. Dabei befand sich der Anhänger, eine Arbeitsbühne, der ca. 4 Meter lang ist und dessen Radkästen sowohl an Vorder- als auch Hinterachse jeweils breiter als die dazwischen liegenden Bedienungselemente sind und nahezu die gesamte Fahrbahnbreite einnahmen, auf Höhe des Pkw des Klägers, wobei sich die Fahrertür des klägerischen Pkw auf Höhe der schmaleren Bedienungselemente des Anhängers befand. Als sich der Kläger gesetzt hatte und die Fahrertür schließen wollte, fuhr der Beklagte zu 1 mit seinem Gespann an, so dass der hintere rechte Radkasten des Anhängers mit der noch geöffneten Fahrertür des klägerischen Fahrzeugs kollidierte, welches beschädigt wurde.

Der Kläger macht mit der Klage die Reparaturkosten in Höhe von 4.361,04 EUR, eine Wertminderung von 400,00 EUR, Mietwagenkosten in Höhe von 1.408,54 EUR und eine Kostenpauschale von 25,00 EUR geltend.

Nachdem das LG mit Versäumnisurteil vom 27.4.2016 die Klage abgewiesen hatte, hat dieses nach Einspruch des Klägers mit dem angefochtenen Urteil das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Wegen der Einzelheiten zum erstinstanzlichen Vortrag der Parteien, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie wegen der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das Urteil des LG Hannover vom 12.9.2016 gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Gegen dieses richtet sich die Berufung des Klägers, der den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch nunmehr unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 50 % weiter verfolgt. Das LG habe bei seiner Entscheidung die Breite des Anhängers und den vom Beklagten zu 1 zum Fahrbahnrand eingehaltenen Abstand von maximal 20 cm nicht hinreichend berücksichtigt. Der Beklagte zu 1 hätte den Unfall vermeiden können, wenn er vor dem Anfahren in den rechten Außenspiegel geschaut hätte.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Hannover vom 12.9.2016, Az. 1 O 11/16, zu ändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3.097,29 EUR nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Eine etwaige von dem Fahrzeug des Beklagten zu 1 ausgehende - auch erhöhte - Betriebsgefahr trete hinter dem alleinigen Verschulden des Klägers im Hinblick auf dessen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO zurück.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteivertreter nebst deren Anlagen.

II. Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Die Beklagten haften dem Kläge...

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