Entscheidungsstichwort (Thema)

Kieferorthopädische Behandlungskosten als Sonderbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

Kieferorthopädische Behandlungskosten als unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf.

 

Normenkette

BGB § 1612 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Urteil vom 31.05.2007; Aktenzeichen 620 F 4132/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG - FamG - Hannover vom 31.5.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der erste Absatz des Tenors - auch nach teilweisem Verzicht des Klägers zu 2. - nunmehr lautet:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2. zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin 400,21 EUR zu zahlen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Berufungsstreitwert: Gebührenstufe bis 900 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten in dem seit August 2006 anhängigen Rechtsstreit noch um geltendgemachten Sonder- bzw. Mehrbedarf.

Der (nach erstinstanzlichem Teilvergleich zum nachehelichen Unterhalt verbliebene) Kläger zu 2. (im weiteren: der Kläger) ist der minderjährige, in der Obhut seiner Mutter lebende Sohn des Beklagten; der laufende Unterhalt ist i.H.v. 150 % des Regelbetrages tituliert.

Der Kläger unterzieht sich einer noch nicht abgeschlossenen kieferorthopädischen Behandlung; in den Quartalen II/06 bis I/07 sind daraus Kosten i.H.v. 1.719,93 EUR entstanden, die zu einem Teil von der privaten Zusatz-Krankenversicherung getragen werden. Der Kläger nimmt den Beklagten auf hälftige Zahlung des ungedeckten Teiles der bereits abgerechneten Kosten von 800,41 EUR als Sonderbedarf in Anspruch und begehrt Feststellung, dass der Beklagte zur hälftigen Beteiligung an den zukünftigen ungedeckten Kosten dieser Behandlung verpflichtet ist.

Das AG hat der Klage - mit der Begründung, es handele sich zwar nicht um Sonder-, aber um Mehrbedarf des Klägers - stattgegeben.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung, mit der der Beklagte sein Ziel der Klagabweisung weiterverfolgt. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, bei den Kosten der kieferorthopädischen Behandlung handele es sich nicht - wie vom AG angenommen - um Mehrbedarf, für dessen Geltendmachung es teilweise (2. Quartal 2006) zudem am Verzug fehle, aber auch nicht um Sonderbedarf.

Der Kläger tritt der Berufung entgegen. Er erläutert, dass 2005 erstmals eine mögliche zukünftige Notwendigkeit derartiger Behandlung gesehen worden sei; er habe eigens im Hinblick auf eine - nicht von seiner Krankenversicherung abgedeckte - Finanzierung noch eine Zusatzversicherung abgeschlossen und leiste bereits dafür aus seinem Unterhalt laufende Prämien.

Soweit die Krankenkasse für - in geringem Umfang in den Abrechnungen enthaltene - zahnärztliche Leistungen eine höhere Erstattung geleistet hat und dies vom Beklagten ebenfalls im Berufungsverfahren geltend gemacht worden ist, hat der Kläger dem im Termin durch den Verzicht auf die Rechte aus dem Titel im Umfang von 29,68 EUR Rechnung getragen, so dass eine bezifferte Titulierung über 400,21 EUR verbleibt.

II. Die zulässige Berufung kann - nach dem teilweisen Verzicht des Klägers - in der Sache keinen Erfolg haben. Im Ergebnis zutreffend hat das AG ihm die Hälfte der nicht erstatteten Behandlungskosten zu- und die Feststellung der zukünftigen hälftigen Erstattungspflicht des Beklagten ausgesprochen.

Bei den - nach Inanspruchnahme der insofern bestehenden privaten Zusatzkrankenversicherung - verbleibenden Kosten der kieferorthopädischen Behandlung des Klägers, die sich nach dem Behandlungs- und Kostenplan vom 28.6.2006 in einer Größenordnung von 2.000 EUR bewegen werden, handelt es sich - entgegen der Auffassung des Beklagten, der darin weder Sonder- noch Mehrbedarf sehen will - um eine erhebliche Bedarfsposition, die schon nach ihrem Umfang durch den laufenden Unterhalt i.H.v. 150 % des Regelbetrages nicht bereits abgedeckt ist; weder sind bei der seinerzeitigen Ermittlung des Unterhaltsbedarfes derartige Kosten mit einbezogen worden, noch kann dem Kläger - namentlich bei den konkreten Einkommensverhältnissen seiner Eltern - über einen Zeitraum von voraussichtlich etwa drei Jahren eine Verwendung von rund zwölf Prozent seines Tabellenunterhaltes allein für diese Kosten ernsthaft angesonnen werden.

Die ungedeckten Kosten kann der Kläger im Streitfall auch als Sonderbedarf i.S.d. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltend machen. Nach der - soweit ersichtlich (selbst in der Lit.) ohne ausdrückliche Gegenstimmen gebliebenen - obergerichtlichen Rspr. stellen Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung regelmäßig Sonderbedarf i.S.v. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.8.1980 - 3 WF 190/80, FamRZ 1981, 76; OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.7.1992 - 2 UF 235/91, FamRZ 1992, 1317; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2003 - 8 WF 186/03 - FuR 2004, 307). Auch im Streitfall sind diese Kosten sowohl - wie bereits dargelegt - im Sinne der Norm "ungewöhnlich hoch" als auch "unregelmäßig": sie sind -...

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