Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Verbraucher und Regelinsolvenzverfahren. Aufgabe der kaufmännischen Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO ist grundsätzlich unanwendbar, wenn der Schuldner einen Eröffnungsantrag im Regelinsolvenzverfahren gestellt hat.

2. Dies gilt auch, wenn das Insolvenzgericht mit Hinweisen auf die Einschlägigkeit des Verbraucherinsolvenzverfahrens, die der Schuldner jedoch nicht aufnimmt, auf den Insolvenzantrag reagiert.

3. Das Insolvenzgericht darf den Schuldner auf die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens nur dann verweisen, wenn eine nachhaltige Aufgabe der zuvor ausgeübten selbstständigen gewerblichen Tätigkeit feststellbar ist.

 

Normenkette

InsO §§ 304, 305 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 16.12.1999; Aktenzeichen 20 T 2281/99)

AG Hameln (Entscheidung vom 23.11.1999; Aktenzeichen 36 IK 65/99)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zugelassen.

II. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners werden der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 16. Dezember 1999 und das Verfahren des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Hameln mit der Verfügung vom 23. November 1999 aufgehoben.

III. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht Hameln zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Schuldner, der am 18. November 1999 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt hat, betrieb bis zum 16. November 1999 ein Transportunternehmen in Güternah und Güterfernverkehr, dessen Entwicklung nach seiner Darstellung seit März 1999 negativ verlief, weil er zu diesem Zeitpunkt seinen Hauptauftraggeber verlor. Im November 1999 reduzierte der Antragsteller das Unternehmen deshalb auf zwei Arbeitnehmer, die noch im Güterfernverkehr tätig sind und Fahraufträge nach … durchführen. Insoweit erzielt der Antragsteller nach seiner Darstellung in der Antragschrift noch einen Umsatz von monatlich 20.000 DM. Nach einer Forderungsaufstellung des Antragstellers hat er 24 Gläubiger, denen er noch etwa 685.000 DM schuldet. Der Antragsteller hat gleichzeitig mit dem Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens beantragt, ihm Restschuldbefreiung zu gewähren.

Mit Verfügung vom 23. November 1999 hat das Amtsgericht Hameln – Insolvenzgericht – den Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Insolvenzordnung für nicht oder nur geringfügig wirtschaftlich selbstständig tätige Personen ein eigenes Verbraucherinsolvenzverfahren vorsehe, dessen Voraussetzungen für ihn gegeben seien. Er werde deshalb aufgefordert, binnen eines Monats die Bescheinigung über das Scheitern eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens und die Antragsunterlagen für ein Verbraucherinsolvenzverfahren mit einem Schuldenbereinigungsplan vorzulegen. Erfülle er diese Auflagen nicht, so gelte sein Antrag als zurückgenommen nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO.

Nach Erhalt dieser Aufforderung haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 3. Dezember 1999 Beschwerde gegen die Einordnung des Verfahrens als Verbraucherinsolvenzverfahren eingelegt und dazu ausgeführt, dass die Einordnung rechtsfehlerhaft sei, weil der Antragsteller bis zum Datum der Antragstellung ein Handelsgewerbe i. S. d. § 1 Abs. 1 HGB n. F. betrieben und aufgrund seines Handelsgewerbes als Spediteur dem Begriff des „Musskaufmanns” im Sinne des früheren Rechts entsprochen habe. Bei der Anwendung des § 304 Abs. 1 InsO sei an die alte Begriffsbestimmung des Musskaufmanns anzuknüpfen. Diesem solle der Weg des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Rahmen seiner Sanierung verschlossen bleiben. Das Verbraucherinsolvenzverfahren sei zur Abwicklung einer kaufmännischen Tätigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung nicht geeignet. Der Zwang zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung behindere eine zügige Gesamtvollstreckung eher, als dass er sie fördere. Der Umsatz, den der Antragsteller mit dem rettungsfähigen Kern seines bisherigen Unternehmens noch erziele, nicht als geringfügige wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. § 304 InsO einzuordnen.

Mit Beschluss vom 16. Dezember 1999 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, das Rechtsmittel sei ausnahmsweise zulässig, weil die Verfügung des Insolvenzgerichts, mit der es den Antragsteller dem Verbraucherinsolvenzverfahren zugeordnet habe, ohne rechtliches Gehör des Antragstellers ergangen sei. Damit sei dessen Antrag auf Einleitung eines Regelinsolvenzverfahrens in nicht gehöriger Form konkludent abgelehnt worden und das Insolvenzgericht habe dem Antragsteller die förmliche Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 6, 34 InsO genommen. Das Insolvenzgericht sei verpflichtet gewesen, den Antragsteller zuvor auf seine Bedenken gegen die Voraussetzungen des Regelinsolvenzverfahrens hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, seinen Antrag umzustellen. Beim Festhalten an der Auffassung, dass ein Regelinsolvenzverfahren durchgeführt werden müsse, hätte es dem Antragsteller eine rechtsmittelfähige Entscheidung nicht verweigern dürfen.

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