Normenkette

StVO § 3; VwVfG §§ 35, 43

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Entscheidung vom 18.04.2011)

 

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

2. Die Sache wird auf den Senat übertragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

4. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Hannover setzte gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h eine Geldbuße von 120 € fest.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 14. August 2010 um 16:08 Uhr mit einem Pkw den Messeschnellweg (B 3) in Fahrtrichtung P. auf der linken Spur und überschritt in Höhe der Auffahrt W. die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h aus Unachtsamkeit - nach Toleranzabzug von 4 km/h - um 27 km/h. Die fest installierte Geschwindigkeitsmessanlage TraffiStar S 333 befand sich ca. 80 m hinter der erstmaligen Begrenzung der - bis dahin auf 100 km/h beschränkten - Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h durch eine elektronische Verkehrsbeeinflussungsanlage (Zeichen 274) und ca. 20 m vor der Einmündung des Zubringers vom W., bei welcher es sich um eine Unfallhäufungsstelle handelt. Am 17. August 2010 wurden in einer Entfernung von ca. 280 m vor der Geschwindigkeitsmessanlage zwei Verkehrsschilder (Zeichen 274) aufgestellt, die die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die mit dem Antrag auf Zulassung verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er rügt, dass die Messung gegen die Richtlinien für die Verkehrsüberwachung verstoßen habe, weil die Messstelle lediglich 80 m hinter dem ersten geschwindigkeitsbegrenzenden Verkehrszeichen eingerichtet worden sei. Die nachfolgende Gefahrenstelle begründe hier keine zulässige Ausnahme von der Regel, weil eine Unterschreitung des Mindestabstands durch das Aufstellen weiterer Verkehrszeichen an einer vorgezogenen Position - wie am 17. August 2010 auch erfolgt - hätte vermieden werden können.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Frage, ob eine Unterschreitung des nach den Richtlinien für die Verkehrsüberwachung vorgeschriebenen Mindestabstands zwischen Kontrollstelle und geschwindigkeitsbegrenzendem Verkehrszeichen trotz einer Gefahrenstelle einen Ausnahmefall begründet, wenn die Unterschreitung durch das Aufstellen weiterer Verkehrszeichen an einer vorgezogenen Position hätte vermieden werden können, wurde bislang - soweit ersichtlich - obergerichtlich nicht entschieden.

2. Aus den vorgenannten Gründen ist die Sache gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG vom Einzelrichter auf den Senat übertragen worden.

3. Die Rechtsbeschwerde ist indes unbegründet.

Der Schuldspruch lässt keine Rechtsfehler erkennen. Das Amtsgericht ist zutreffend zu der Feststellung gelangt, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h um 27 km/h überschritten hat. Dies zieht auch der Betroffene nicht in Zweifel. Soweit er meint, er hätte freigesprochen werden müssen, weil die Messung entgegen den Richtlinien für die Verkehrsüberwachung in einem Abstand von nur 80 m hinter dem geschwindigkeitsbegrenzenden Verkehrszeichen erfolgt sei, kann ihm nicht gefolgt werden.

a) Ein Kraftfahrer hat seine Geschwindigkeit grundsätzlich so einzurichten, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit regelnden Verkehrszeichens die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 120; hiesiger 2. Bußgeldsenat, Beschluss vom 30.08.2002 - 222 Ss 137/02 (Owi)). Allerdings trägt die Rechtsprechung möglichen Unwägbarkeiten bei der Einfahrt in eine Zone mit veränderter Geschwindigkeitsregelung bei der Frage des Ausmaßes des Verschuldens grundsätzlich Rechnung, indem sie dem Kraftfahrer zubilligt, dass er mit gewissen Abständen zwischen geschwindigkeitsregelndem Verkehrszeichen und Messstrecke rechnen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2007 - 311 Ss 49/07 (Owi); ebenso hiesiger 2. Bußgeldsenat aaO.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., StVO § 3 Rn. 45; jew. m.w.N.). Dies hat sich in den in Niedersachsen geltenden Richtlinien für die Überwachung des fließenden Verkehrs durch die Straßenverkehrsbehörden (gem. RdErl. d. MI u. d. MW vom 25. November 1994, Nds. MBl. 1994, 1555; zul. geänd. d. VV vom 27. Oktober 2010, Nds. MBl. 2010, 1016) niedergeschlagen. In Nr. 4 der Anlage "Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten" der Richtlinie heißt es:

"Kontrollen sollen nicht kurz vor oder hinter geschwindigkeitsregelnden Verkehrszeichen durchgeführt werden. Der Abstand bis zur Messstelle soll mindestens 150 m betragen. Er kann in begründeten Fällen unterschritten werden (z. B. Gefahrenstellen, Gefahrzeichen, Geschwindigkeitstrichter)."

Da diese Richtlinie als reine Verwaltungsvorschrift grundsätzlich keine Außenwirkung entfaltet, unterliegen Messergebnisse,...

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