Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des materiellrechtlichen Auskunftsanspruchs im Gestattungsverfahren nach § 14 Abs. 3, Abs. 4 TMG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für das Auskunftsverfahren nach § 14 Abs. 3, Abs. 4 TMG reicht es aus, dass der Verletzte Unterlassung zumindest eines Teiles einer (einheitlichen) Bewertung in einem Arbeitgeberbewertungsportal von der Verfasserin/ dem Verfasser verlangen kann und hinsichtlich dieses Teiles eine qualifizierte Rechtsverletzung gegeben ist. Hinsichtlich welcher konkreten Äußerungen letztlich ein Unterlassungsanspruch gegen die Verfasserin/ den Verfasser besteht, bleibt dem Folgeprozess vorbehalten.

2. Der im Verfahren nach § 14 Abs. 3, Abs. 4 TMG vorausgesetzte materiellrechtliche Auskunftsanspruch gegen den Diensteanbieter setzt nicht voraus, dass der Diensteanbieter selbst nach den Grundsätzen der mittelbaren Störerhaftung - noch - in Anspruch genommen werden kann. Es reicht jedenfalls aus, dass zwischen dem Verletzten und dem Diensteanbieter ein Rechtsverhältnis bestand, aus dem sich nach den Vorgaben der Rechtsprechung zur mittelbaren Störerhaftung Prüfpflichten ergeben haben.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 1004; TMG § 14 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

LG Stade (Beschluss vom 21.07.2021; Aktenzeichen 6 O 148/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Stade vom 21. Juni 2021 abgeändert.

Der Beteiligten wird gestattet, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über die Bestands- und Nutzungsdaten zu der auf der Plattform www...de bestehenden Bewertung unter dem Datum Dezember 2020, die zu der Antragstellerin als Arbeitgeberin abgegeben wurde, abrufbar unter der URL: https://www.....com/de/tdds, wie in der Anlage zu diesem Beschluss wiedergegeben, durch Angabe folgender gespeicherter Daten: IP-Adressen, die dem Nutzer zugewiesen waren, als er die Bewertung abgab, nebst genauen Zeitpunkt des Hochladens unter Angabe des Datums und der Uhrzeit inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone, Name des Nutzers, E-Mail-Adresse des Nutzers.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beschwerdegegnerin zur Last. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist ein Unternehmen aus der IT-Branche; sie beschäftigt derzeit etwa 25 Mitarbeiter. Die Beteiligte betreibt unter der im Tenor genannten Domain ein Internetportal zur Bewertung von Arbeitgebern.

In diesem Portal wurde am 22. Dezember 2020 unter der Bezeichnung "Ex-Angestellte/r oder Arbeiter/in - hat im Bereich Design/Gestaltung gearbeitet" eine Bewertung betreffend die Antragstellerin eingestellt.

In den Einzelkategorien finden sich folgende Einträge:

Verbesserungsvorschläge:

"Choleriker zur Schulung über modernes Führungswesen schicken! Aufhören hier ständig bei ... die Bewertungen löschen zu lassen! Hier waren schon min. 2 schlechte Bewertungen die gelöscht wurden!"

Karriere/Weiterbildung:

"Pfft. Weiter... was?"

Gehalt/Sozialleistungen

"Lächerlich ... pünktliche Gehaltszahlungen kann man vergessen!"

Umwelt/Sozialbewusstsein

"Umwelt? Egal!"

Umgang mit älteren Kollegen

"Als älterer Mann muss man hier noch Tische verräumen!"

Vorgesetztenverhalten

"Kathastrophal. Launisch, laut, cholerisch."

Nach einem Hinweis der Antragstellerin gegenüber der Beteiligten, dass der Beitrag mutmaßlich von einer Ex Mitarbeiterin stamme, mit der eine lange arbeitsrechtliche Auseinandersetzung geführt wurde, wurde die Bewertung am 9. Februar 2021 durch die Beteiligte entfernt.

Die Antragstellerin ist in Unkenntnis über die tatsächliche Person des Verfassers der Beiträge. Sie begehrt gegenüber der Beteiligten Auskunft hierüber und beantragt im vorliegenden Verfahren, der Beteiligten diese Auskunftserteilung zu gestatten. Sie erachtet den Eintrag in Teilen als unzulässige Schmähkritik sowie in Teilen als unwahre Tatsachenbehauptungen, die den Tatbestand der Verleumdung erfüllen.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der Auskunftserteilung stehe entgegen, dass gegen den Verfasser der Bewertung zivilrechtliche Unterlassungsansprüche nicht geltend gemacht werden könnten, weil es sich jeweils um zulässige Meinungsäußerungen handele.

Gegen die Entscheidung wendet sich die Antragstellerin, mit der sie das Auskunftsersuchen weiterverfolgt.

Die Beteiligte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts im Beschwerdeverfahren.

II. Die gemäß § 14 Abs. 4 Satz 7 TMG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Gemäß § 14 Abs. 3 TMG darf der Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützte Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist. Die Voraussetzungen für die Gestattung der Auskunft sind hier gegeben.

a. Es kann dahingestellt bleiben, ob jede einzelne Äußerung in der streitgegenständlichen Bewertung, die die Antragstellerin als unzulässige Schmähkritik oder als...

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