Leitsatz (amtlich)

1. Bezugskontinuität und Kindeswohl sind Kriterien der Berechtigtenbestimmung für den Kindergeldbezug bei gemeinsamer elterlicher Sorge und paritätischem Wechselmodell, nicht jedoch die finanziellen Verhältnisse oder erbrachten Leistungen eines Elternteils. Ein Ausgleich solcher Leistungen ist Unterhaltsverfahren vorbehalten.

2. Die seit 01.01.2018 verkürzte Rückwirkungsdauer von Kindergeldanträgen ist bei Änderungen der Bezugsberechtigung zu beachten.

 

Verfahrensgang

AG Achim (Aktenzeichen 81 F 457/17)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Achim vom 27. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind die gemeinsamen Kinder J., geboren am ... 2012, und B., geboren am ... 2008, hervorgegangen. Seit der Trennung der Eltern im Jahr 2014 werden die Kinder in einem paritätischen Wechselmodell von beiden Eltern in zeitlich gleichem Umfang betreut. Der Antragsgegner lebt weiterhin in der Ehewohnung. Kindesunterhalt wird wechselseitig nicht gezahlt. Jeder Elternteil kommt für den Unterhalt der Kinder vollständig alleine auf, solange sich diese bei ihm aufhalten.

Während der Dauer des ehelichen Zusammenlebens und auch nach der Trennung bis einschließlich März 2015 bezog die Antragstellerin aufgrund gemeinsamer Berechtigungsbestimmung das Kindergeld für beide Kinder. Die Kindergeldfestsetzung wurde gegenüber der Kindesmutter mit Bescheid der Kindergeldkasse vom ... April 2015 ab April 2015 aufgrund des Widerrufes der Berechtigtenbestimmung durch den Kindesvater aufgehoben. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die Kinder in den Haushalt des Vaters aufgenommen worden seien, der damit den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld habe. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Antragstellerin wurde durch Einspruchsentscheidung vom ... November 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Im Zeitraum April 2015 bis einschließlich Juni 2015 erhielt der Antragsgegner aufgrund seines Antrages das Kindergeld. Auf den Widerspruch der Kindesmutter wurde die 'Zahlung des Kindergeldes mit Bescheid vom ... August 2015 eingestellt. Seit Juli 2015 besteht somit grundsätzlich ein weiterer Anspruch auf Kindergeld für beide Kinder in Höhe von insgesamt ca. 12.000 EUR. Die Bestimmung eines Bezugsberechtigten ist zwischen den Beteiligten nicht möglich, sodass dieser Betrag bislang nicht zur Auszahlung gelangt ist. Mit E-Mail vom ... November 2015 schlug die Antragstellerin vor, die Bezugsberechtigung einvernehmlich dahingehend zu regeln, dass das Kindergeld für jeweils ein Kind an einen Elternteil ausgezahlt werden soll. Dies lehnte der Antragsgegner mit E-Mail vom ... November 2015 ab und verlangte die Auszahlung des Kindergeldes für beide Kinder an sich. Mit anwaltlichen Schreiben des Antragstellervertreters vom ... November 2017 wurde der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass aufgrund einer Gesetzesänderung ab dem 1. Januar 2018 Kindergeld nur noch maximal 6 Monate rückwirkend beantragt werden könne und im Übrigen wegen der Rückstände seit April 2015 der Verlust von mehreren tausend Euro drohe, wenn nicht bis zum Jahresende ein Antrag mit Berechtigtenbestimmung bei der Familienkasse eingehe. Der Antragsgegner wurde diesbezüglich um Mitwirkung ersucht und die hälftige Auszahlung des Kindergeldes an ihn zugesichert.

Auf den Antrag der Kindesmutter vom 23. November 2017 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2017 die Kindesmutter zur Kindergeldberechtigten im Sinne von § 64 EStG ab dem 1. April 2015 bestimmt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Kindesmutter unter Abwägung und umfassender Berücksichtigung aller konkreten Umstände die Kindergeldberechtigung zuzusprechen sei, da dies dem Kindeswohl am besten entspreche. Zum einen habe der Antragsgegner verkannt, dass aufgrund der Neuregelung des § 66 EStG mit Wirkung vom 1. Januar 2018 Kindergeld nur noch rückwirkend für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats gezahlt werde, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Entgegen der Ansicht des Kindesvaters sei es somit tatsächlich erforderlich gewesen, dass noch bis zum 31. Dezember 2017 ein Antrag auf Kindergeld unter Beifügung einer entsprechenden Bestimmung des Bezugsberechtigten bei der Kindergeldkasse eingeht. Die Kindesmutter biete vor diesem Hintergrund insgesamt die größere Gewähr dafür, dass das Kindergeld den Kindern unmittelbar zugutekomme, da sie einen entsprechenden Antrag gestellt und somit den Verfall der Kindergeldbeträge verhindert habe. Ferner sei die Kindesmutter bereit gewesen, im Rahmen einer pragmatischen Lösung ihre Zustimmung dahingehend zu erklären, dass je ein Elternteil pro Kind als Bezugsberechtigter bestimmt werde. Der Antragsgegner sei hierauf nicht eingegangen und habe weiterhin die ...

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