Leitsatz (amtlich)

Das Betreuungsrecht bietet keine ausreichende Grundlage für eine Zwangsbehandlung (Vorlage an den BGH).

 

Normenkette

BGB § 1906

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Beschluss vom 13.12.2005; Aktenzeichen 1 T 146/05)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 01.02.2006; Aktenzeichen XII ZB 236/05)

 

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt (§ 28 Abs. 2 FGG).

 

Gründe

I. Der 42-jährige Betroffene ist - wohl seit einigen Jahren - an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt. Seit dem 31.10.2005 befindet er sich im Nachgang einer körperlichen Gewaltanwendung ggü. seinem 15-jährigen Sohn erstmals in einer stationären psychiatrischen Behandlung.

Auf Antrag des behandelnden Krankenhauses vom 1.11.2005 (Bl. 1 d.A.) hat das AG Verden (Aller) am gleichen Tag im Wege der einstweiligen Anordnung (Bl. 2. d.A.) für den Betroffenen eine Betreuung für die Bereiche Gesundheitssorge, Entscheidung über die Unterbringung, Vermögensvermögenssorge und die Geltendmachung von gesetzlichen Ansprüchen eingerichtet. Auf die weitere Anregung des behandelnden Krankenhauses vom 3.11.2005 (Bl. 4 d.A.) sowie den entsprechenden Antrag des Betreuers (Bl. 6. d.A.) hat das AG Verden (Aller) mit Beschl. v. 4.11.2005 (Bl. 12 d.A.) die geschlossene Unterbringung des Betroffenen sowie dessen zwangsweise Behandlung bis zum 15.12.2005 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 11.11.2005 (Bl. 20 d.A.) hat das LG Verden mit Beschl. v. 23.11.2005 (Bl. 82 d.A.) als unbegründet zurückgewiesen. Auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 7.12.2005 (Bl. 141 d.A.) hat der Senat mit Beschl. v. 8.12.2005 (Bl. 171 d.A.) die Entscheidung des LG Verden wegen der unterlassenen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Nach erfolgter Anhörung hat das LG Verden die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschl. v. 13.12.2005 (Bl. 180 d.A.) erneut zurückgewiesen und sowohl die geschlossenen Unterbringung als auch die ggf. zwangsweise Behandlung des Betroffenen als rechtlich zulässig und geboten angesehen. Das LG Verden hat sich dabei auf die Stellungnahme der behandelnden Ärzte gestützt. Diese hatten in der Anhörung durch das LG noch einmal darauf hingewiesen, dass der Betroffene ohne Medikation nicht gesund werde. Eine Unterbringung ohne Medikation sei daher sinnlos. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der vorliegenden sofortigen weiteren Beschwerde vom 14.12.2005 (Bl. 192 d.A.).

Zwischenzeitlich hat das AG Rotenburg (Wümme), an welches das Unterbringungsverfahren abgegeben worden ist (vgl. Bl. 16. d.A.), mit Beschl. v. 15.12.2005 (Bl. d.A.) den Unterbringungsbeschluss des AG Verden (Aller) bis zum 25.1.2006 verlängert. Die dagegen vom Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde liegt derzeit dem LG Verden zur Entscheidung vor.

II.1. Der Senat hält das gem. §§ 27, 70m FGG zulässige Rechtsmittel des Betroffenen für begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Der Senat teilt zwar die Auffassung des LG Verden, dass der Betroffene auf Grund seiner psychischen Erkrankung behandlungsbedürftig ist. Der Senat hält jedoch die erteilte Genehmigung, den Betroffenen geschlossen unterzubringen und ihn dort gegen seinen Willen zwangsweise zu behandeln, nach den hier allein in Betracht kommenden betreuungsrechtlichen Grundsätzen für rechtlich unzulässig und daher nicht genehmigungsfähig (vgl. auch OLG Celle v. 10.8.2005 - 17 W 37/05, OLGReport Celle 2005, 728 = BtPrax 2005, 235; anders hingegen OLG München v. 30.3.2005 - 33 Wx 038/05, OLGReport München 2005, 394 = MDR 2005, 873; OLG Düsseldorf - 25 WX 73/03; OLG Schleswig FamRZ 2002, 984; Erman/Roth, 11. Aufl., Rz. 29; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1904 Rz. 16;).

In Anlehnung an die Entscheidung des BGH zur ambulanten Zwangsbehandlung (BGH v. 11.10.2000 - XII ZB 69/00, MDR 2001, 216 = FamRZ 2001, 149) geht der Senat davon aus, dass auch die stationäre Zwangsbehandlung zwingend einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf. Der BGH hat in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass die "Vornahme von Zwangshandlungen gegen den Widerstand des Betreuten einer Rechtsgrundlage durch ein formelles Gesetz" bedarf (BGH v. 11.10.2000 - XII ZB 69/00, MDR 2001, 216 = FamRZ 2001, 149 [152]). Ein solches Gesetz besteht nach Auffassung des Senats nicht (so auch OLG Thüringen R. & P. 2003, 29; Marschner, Zwangsbehandlung in der ambulanten und stationären Psychiatrie, R. & P. 2005, 47 ff. m.w.N.). Soweit dieses formelle Gesetz in der Regelung des § 1906 BGB (Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 4) gesehen wird, überzeugt diese Auffassung den Senat nicht. Der sprachlich eindeutige Gesetzestext des § 1906 BGB enthält nur die Befugnis zur Unterbringung bzw. unterbringungsähnlichen Maßnahmen, nicht jedoch auch die Befugnis zur - gemessen an der ...

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