Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren über die Anordnung von Abschiebungshaft findet bei Abgabe des Verfahrens nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG die Vorschrift des § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO auch nicht entsprechend Anwendung.

Wurde Abschiebungshaft nicht vollzogen, fehlt es am Rechtsschutzinteresse an nachträglicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahme.

 

Normenkette

AufenthG § 106 Abs. 2 S. 2; ZPO § 281 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Beschluss vom 25.08.2006; Aktenzeichen 4 T 104/06)

AG Stadthagen (Aktenzeichen 5 XIV 1977 (B))

 

Tenor

1. Die gegen den Beschluss des LG Bückeburg 25.8.2006 gerichtete weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 7.9.2007 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Fahlbusch wird insoweit zurückgewiesen.

Der Betroffene trägt die Kosten dieses weiteren Beschwerdeverfahrens.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

2. Auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 26.9.2006 werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Bückeburg vom 19.9.2006 und der Beschluss des AG Stadthagen vom 22.8.2006 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Inhaftierung des Betroffenen seit dem 29.8.2006 bis zu seiner Entlassung am 29.9.2006 rechtswidrig war.

Dem Betroffenen wird insoweit Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., H., bewilligt.

Für dieses Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben; Auslagen des Betroffenen werden nicht erstattet. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das AG Stadthagen hat gegen den Betroffenen durch Beschluss vom 23.5.2006 Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG für die Dauer von bis zu drei Monaten angeordnet und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Daneben wurden die weiteren erforderlichen Entscheidungen über die Fortdauer der Abschiebungshaft dem AG, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in der der Betroffene untergebracht war, übertragen. Der Betroffene wurde nach seiner Festnahme und der Vorführung vor dem Richter bereits am 23.5.2006 in die Justizvollzugsanstalt Hannover, Abt. Langenhagen, aufgenommen. Dort verbüsste er vom 21.7.2006 bis zum 29.8.206 eine RestErsatzfreiheitsstrafe aus einem Urteil des AG Bückeburg vom 23.2.2005.

Die Akten waren derweil beim AG Stadthagen verblieben, das am 9.8.2006 einen Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Haft nach § 10 FreihEntzG ablehnte. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG Bückeburg mit Beschluss vom 25.8.2006 zurückgewiesen.

Am 22.8.2006 ordnete das AG Stadthagen die Verlängerung der Abschiebungshaft um sechs Wochen sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an und bestimmte erneut das AG am Haftort als für die weiteren Entscheidungen zuständig. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG Bückeburg am 19.9.2006 zurückgewiesen.

Auf Antrag der Ausländerbehörde ist der Betroffene am 29.9.2006 aus der Abschiebungshaft entlassen worden.

Der Betroffene hat sowohl gegen den Beschluss des LG Bückeburg vom 25.8.2006 als auch gegen den Beschluss vom 19.9.2006 am 7. bzw. 26.9.2006 weitere sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Er rügt die Zuständigkeit der entscheidenden Gerichte.

II.1. Das Rechtsmittel des Betroffenen gegen den Beschluss des LG Bückeburg vom 25.8.2006 hat keinen Erfolg.

a) Die weitere sofortige Beschwerde ist nach §§ 27, 29 FGG i.V.m. § 7 FreihEntzG zwar grundsätzlich statthaft; sie ist jedoch mangels Rechtsschutzinteresses mit dem erhobenen Feststellungsbegehren unzulässig.

Wie der Senat in seinem Beschl. v. 17.3.2006 - 22 W 10/06 - dargelegt hat, besteht an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft kein Rechtsschutzinteresse, wenn diese nur als Überhaft angeordnet ist.

So liegt die Sache hier. Der Betroffene hat auf der Basis dieser Entscheidung der Kammer und vorgehend des AG Stadthagen vom 9.8.2006 keine Abschiebungshaft erlitten, denn er verbüsste in dem hier der Anfechtung eröffneten Zeitraum Ersatzfreiheitsstrafe.

Zwar begann die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe erst am 21.7.2006 und damit nahezu zwei Monate nach der Anordnung der Abschiebungshaft. Diese aber war durch Beschluss des AG Stadthagen vom 23.5.2006 angeordnet und nicht angefochten worden. Erst mit dem am 27.7.2007 gestellten Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Haft war die Prüfung über die Rechtmäßigkeit der Haft durch das LG und den Senat im Grundsatz wieder eröffnet; für die davor liegende Zeit kann sich der Betroffene nicht nachträglich auf die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung berufen. Der Betroffene verbüsste auch noch Ersatzfreiheitsstrafe, als das LG Bückeburg als letzte Tatsacheninstanz am 25.8.2006 über die Zurückweisung des Antrages au...

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