Leitsatz (amtlich)

Führungsaufsicht nach § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB tritt auch dann ein, wenn der Verurteilte aufgrund einer sog. Weihnachtsamnestie vorzeitig entlassen wird. Eine solche Maßnahme steht der Annahme vollständiger Vollstreckung im Sinne dieser Norm nicht entgegen.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft H. sowie die sofortige Beschwerde und die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer 2 des Landgerichts H. vom 8. Januar 2008 werden als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der sofortigen Beschwerde und der Beschwerde des Verurteilten trägt der Verurteilte. Die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft trägt die Landeskasse mit Ausnahme der insoweit dem Verurteilten entstandenen Auslagen.

 

Gründe

I.

Gegen den Verurteilten wurde durch Urteil des Amtsgerichts H. vom 11. April 2004 wegen Betruges in 17 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Die Strafe verbüßte er seit dem 30. März 2005 in der Justizvollzugsanstalt H., so dass nach Anrechnung von 14 Tagen Untersuchungshaft das Strafende am 15. Dezember 2007 erreicht gewesen wäre. Eine Strafaussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe wurde ihm nicht bewilligt. Jedoch entschied der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft H. auf Grund der ihm durch den Erlass des Niedersächsischen Justizministeriums über die "Vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen aus Anlass des Weihnachtsfestes 2007" vom 20. Oktober 2007 (4250 - S. 5.118) erteilten Ermächtigung am 28. November 2007, dass dem Verurteilten die bis zum 4. Dezember 2007 nicht verbüßte Restfreiheitsstrafe gnadenhalber erlassen werde. Dementsprechend wurde der Verurteilte am 3. Dezember 2007 aus der Strafhaft entlassen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts H. nach mündlicher Anhörung des Verurteilten am 8. Januar 2008 festgestellt, dass mit der Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft Führungsaufsicht eingetreten sei, und zugleich deren Dauer auf drei Jahre festgesetzt und den Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.

Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Staatsanwaltschaft H. als auch der Verurteilte rechtzeitig sofortige Beschwerde erhoben. Die Staatsanwaltschaft begründet ihr Rechtsmittel damit, dass der Verurteilte auf Grund des Straferlasses von einigen Tagen die Strafe nicht vollständig verbüßt habe und deshalb die Voraussetzungen der Führungsaufsicht nicht erfüllt seien. Der Verurteilte wendet sich sowohl gegen den Eintritt der Führungsaufsicht als auch gegen deren festgesetzte Dauer und die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers. Er macht geltend, dass er seine Strafe "bis zum Ende abgesessen" habe, und hält die Festsetzung der Dauer und die Bewährungshelferbestellung für "übertrieben".

Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft.

II.

1.

Die sofortigen Beschwerden sind zulässig erhoben (§§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO), haben aber in der Sache keinen Erfolg.

a)

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts H. war örtlich und sachlich zuständig (§§ 463 Abs. 2, 3 Satz 1 und Abs. 6, 453, 454, 462 a Abs. 1 StPO). Dass der Verurteilte bereits aus der Strafhaft entlassen war, als der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 3. Dezember 2007 auf Feststellung und Ausgestaltung der Führungsaufsicht am 4. Dezember 2007 bei der Kammer einging, ist für die Frage des Befasstseins im Sinne des § 462 a Abs. 1 StPO unerheblich. Da die Staatsanwaltschaft gemäß § 54 a Abs. 2 StVollstrO die Akten der Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 68 f Abs. 2 StGB drei Monate vor Entlassung des Verurteilten vorzulegen hat, wird die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der Verurteilte die Strafe zum vorgeschriebenen Vorlagezeitpunkt verbüßt, im Sinne der §§ 462a Abs. 1 Satz 1, 463 Abs. 6 StPO mit der Sache "befasst" und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ihr die Akten tatsächlich vorgelegt werden (vgl. BGH NStZ 1984, 332).

b)

Die Feststellung der Strafvollstreckungskammer, dass mit der Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft Führungsaufsicht eingetreten ist, trifft zu.

Die Voraussetzungen des § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB für den gesetzlichen Eintritt der Führungsaufsicht liegen vor. Gegen den Verurteilten wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten vollständig vollstreckt.

Dem steht nicht entgegen, dass der Verurteilte bereits 11 Tage vor Erreichen des berechneten Strafendes auf Grund der Entscheidung des Leitenden Oberstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft H. vom 28. November 2007 aus der Strafhaft entlassen worden ist. Diese Entscheidung beruht auf dem Erlass des Niedersächsischen Justizministeriums über die "Vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen aus Anlass des Weihnachtsfestes 2007" vom 20. ...

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