Leitsatz (amtlich)

Die Ehefrau kann sich im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle auf eine subjektive Unterlegenheit bei der notariellen Beurkundung nicht mit der Begründung berufen, dass sie von ihrem Ehemann während der Lebensgemeinschaft mit über Jahre anhaltenden Übergriffen, erniedrigender Schikane und erheblichen Bedrohungen konfrontiert war, die zu einer nach der Trennung diagnostizierten schweren Depression und Panikattacken geführt haben, wenn zwischen der Trennung und der Beurkundung zwei Jahre vergangen sind.

Der Verzicht auf Krankheitsunterhalt kann auch im Rahmen der Ausübungskontrolle nicht auf einen Ausgleich ehebedingter Nachteile angepasst werden, wenn bei der notariellen Beurkundung ausdrücklich ein bestimmtes und dem Ehegatten bekanntes Risiko ausgeschlossen und dadurch von ihm übernommen wird.

 

Verfahrensgang

AG Dannenberg (Aktenzeichen 51 F 301/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 13. Juni 2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dannenberg vom 13. Mai 2019 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin im angefochtenen Beschluss zu Recht Verfahrenskostenhilfe für ihren auf nachehelichen Unterhalt von monatlich 801 EUR gerichteten Antrag versagt, weil ihre Rechtsverfolgung bei der gebotenen summarischen Beurteilung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

Die Antragstellerin hat nach den vorangegangenen Beschlüssen des Amtsgerichts vom 17. Oktober 2018 sowie des Senats vom 23. Januar 2019 (21 WF 158/18) auch mit ihrem weiteren Vorbringen im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht dargetan, dass die Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt in der notariellen Vereinbarung vom 11. April 2017 den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde zu legenden Maßstäben einer Inhaltskontrolle von Eheverträgen nicht standhält.

Der Senat geht grundsätzlich davon aus, dass die komplexen Fragen und Bewertungen, wie sie mit der Wirksamkeit- und Ausübungskontrolle sowie einer Gesamtbeurteilung verbunden sind (vgl. BGH FamRZ 2018, 577; 2017, 884; 2014, 629) in der Regel nicht dem Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren vorbehalten bleiben können, sondern nach dem beiderseitigen Vorbringen im Hauptsacheverfahren, ggf. nach Beweiserhebung, zu klären sind. Denn das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1893), sodass die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nur dann verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgsaussicht aber nur eine Entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Verfahrenskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.

Gleichwohl hat die Antragstellerin auch nach den Hinweisen des Amtsgerichts sowie des Senats keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Antragsgegner bei Abschluss der notariellen Vereinbarung am 11. April 2017 eine Zwangslage der Antragstellerin, eine soziale bzw. wirtschaftliche Abhängigkeit oder eine intellektuelle Unterlegenheit einseitig ausgenutzt hat, um zu einer evident einseitigen Lastenverteilung der Scheidungsfolgen in der notariellen Vereinbarung zu gelangen.

Dabei kann eine (schwere) gesundheitliche Beeinträchtigung grundsätzlich auch eine Zwangslage begründen oder zu einer Unterlegenheit führen, die die Rechtsfolgen des § 138 BGB nach sich ziehen kann. Dies kann der Senat mit dem Amtsgericht, auf dessen zutreffende Ausführungen insoweit Bezug genommen wird, auch nach dem weiteren Vorbringen der Antragstellerin vorliegend indes nicht erkennen. Zwar hat die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Diplom-Psychologin G. vom 25. Juni 2018 eine mittelgradige bis schwere Depression sowie Angst- und Panikattacken dargestellt, unter denen sie seit der im Frühjahr 2015 erfolgten Trennung leidet. Die von der Antragstellerin gegenüber der Psychologin beschriebenen, jahrelang anhaltenden Übergriffe des Antragsgegners, erniedrigende Schikane und erheblichen Bedrohungen, deren Wahrheitsgehalt im Verfahrenskostenhilfeprüfverfahren zu Gunsten der Antragstellerin zu unterstellen ist, rechtfertigt für sich genommen im Hinblick auf die weiteren unstreitigen Umstände im Vorfeld der Beurkundung nicht den Schluss auf eine zu diesem Zeitpunkt bestehende subjektive Unterlegenheit. Soweit die Antragstellerin hierzu mit Schriftsatz vom 10. April 2019 ergänzend vorträgt, dass sie sich infolge dieser psychischen Situation der Vereinbarung nicht habe entgegenstellen können und krankheitsbedingt trotz anwaltlicher Vertretung nicht in der Lage gewesen sei, ihre Interessen sachgerecht dauerhaft zu vertreten (dort Seite 3...

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